„Besteht in einem Unternehmen eine ausdrückliche Pflicht zum Ausstempeln während einer Raucherpause, können Verstöße hiergegen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Es besteht kein Anspruch auf bezahlte Raucherpausen während der Arbeitszeit, da Arbeitnehmer während einer Zigarettenpause keine Arbeitsleistung erbringen. Ein Arbeitnehmer kann das Nichtabstempeln der Raucherpausen nicht mit seiner Nikotinabhängigkeit entschuldigen. Vor einer Kündigung muss der Arbeitgeber keine Raucherentwöhnung anbieten.“ So lauten die redaktionellen Leitsätze bei Beck-online.de in Bezug auf das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2010 – 10 Sa 712/09 (ArbG Koblenz 23.10.2009 – 2 Ca 41/09).
Quelle: Beck-online.de
Haupt-Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung – Ein rechtlicher Überblick
„Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die erforderliche Überprüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig: Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht“, so das LAG Rheinland-Pfalz in seiner Urteilsbegründung ausführend.
Quelle: Beck-online.de
Arbeitnehmer hätte wegen der Raucherpause „ausstempeln“ müssen
LAG Rheinland-Pfalz: „Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der mündlichen Verhandlung steht zur vollen Überzeugung der Berufungskammer fest, dass der Kläger am 15.12.2008 eine Raucherpause eingelegt hat, ohne das Zeiterfassungsgerät zu bedienen. Dadurch hat er die Beklagte zu 2) veranlasst, ihm Arbeitsentgelt zu zahlen, ohne die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Die Erbringung der Arbeitsleistung in der geschuldeten Zeit ist die Hauptpflicht, die der Arbeitnehmer schuldet. Verstöße in diesem Bereich berühren den Kernbereich des gegenseitigen Austauschverhältnisses.“
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Vorhalt des Arbeitnehmers: er müsse nicht ausstempeln – zeigt sein fehlendes Unrechtsbewusstsein und spricht für die Wiederholungsgefahr des Missbrauchs
LAG Rheinland-Pfalz: „Die Zeugin A., die bei der Beklagten zu 2) als Reinigungskraft beschäftigt ist, hat während ihrer Vernehmung bekundet, dass sie am 15.12.2008 selbst eine Zigarettenpause eingelegt hat. Sie habe den Kläger in der Raucherzone am Aschenbecher getroffen. Der Kläger habe dort eine Zigarette geraucht. Sie habe den Kläger gefragt: „Hast du auch ausgestempelt?“ Der Kläger habe ihr geantwortet: „Nein, habe ich nicht. Das ist auch egal, ich bin eh ein Freund vom Chef.“
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Nikotinabhängigkeit: – kein Rechtfertigungsgrund nicht auszustempeln
LAG Rheinland-Pfalz: „Der Kläger kann das Nichtabstempeln der Raucherpausen nicht mit seiner Nikotinabhängigkeit entschuldigen. Auch wenn ein Raucher „von Zeit zu Zeit der Auffrischung des Nikontinspiegels“ bedarf, bedeutet dies nicht, dass es ihm suchtbedingt unmöglich ist, die Stempeluhr zu betätigen. Entgegen der Ansicht des Klägers war die Beklagte zu 2) vor Ausspruch der Kündigung nicht verpflichtet, mit ihm zu erörtern, wie seiner Nikotinsucht entgegengewirkt werden könnte. Die Beklagte zu 2) musste dem Kläger keine Hilfsmaßnahmen zur Raucherentwöhnung anbieten, bevor sie ihm aus verhaltensbedingten Gründen wegen Nichteinhaltung der Stempelpflicht bei Zigarettenpausen kündigt.“
Quelle: Beck-online.de
Interessenabwägung fällt zum Nachteil des Arbeitnehmers aus
LAG Rheinland-Pfalz:
„Im Rahmen der stets gebotenen Interessenabwägung überwiegt im Ergebnis das Interesse der Beklagten zu 2) an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Fortsetzungsinteresse des Klägers. Zwar stellt die außerordentliche Kündigung im Hinblick auf die damit verbundenen Folgen für den Kläger eine erhebliche Härte dar.
Zu Gunsten des Klägers sprechen die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit von acht Jahren seit dem 01.12.2000 sowie seine Unterhaltspflichten gegenüber der getrennt lebenden Ehefrau und einem Kind. Der Kläger war bei Zugang der Kündigung 34 Jahre alt und damit in einem Lebensalter, in dem es ihm gelingt, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.
Zu Lasten des Klägers fällt ins Gewicht, dass das Arbeitsverhältnis seit Jahren nicht beanstandungsfrei verlaufen ist, wie die insgesamt sechs Abmahnungen seit 2002 und der Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 31.07.2007 zeigen, die die Beklagte zu 2) allerdings wieder „zurückgenommen“ hat.
Der Kläger ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass er Zigarettenpausen abzustempeln hat, er hat dies „hoch und heilig“ (so die Zeugin B.) versprochen…Es ist deshalb ein berechtigtes Interesse der Beklagten zu 2) anzuerkennen, im Interesse der Betriebsdisziplin auf das Nichtausstempeln von Zigarettenpausen hart zu reagieren. In Ansehung all dieser Umstände war es der Beklagten zu 2) nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, die gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 3 BGB am 31.03.2009 endete, fortzusetzen.“
Quelle: Beck-online.de
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