Urlaubsansprüche, Überstunden und deren Abgeltung sind zentrale Themen im Arbeitsrecht und sorgen oft für Unklarheiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Durch jüngere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind diese Bereiche im Jahr 2024 noch klarer geregelt worden. In diesem Artikel erhalten Sie einen umfassenden Überblick über die Rechte und Pflichten rund um Urlaubsabgeltung, Überstunden und das Abfeiern von Überstunden, orientiert an der aktuellen Rechtsprechung.
1. Urlaubsabgeltung – Wann haben Arbeitnehmer Anspruch auf Auszahlung von Urlaub?
Die Urlaubsabgeltung kommt dann in Frage, wenn ein Arbeitnehmer seinen gesetzlichen Urlaub nicht nehmen konnte und das Arbeitsverhältnis endet. Nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf mindestens 24 Werktage Urlaub pro Jahr (bei einer 6-Tage-Woche). In vielen zusätzlichen Fällen vereinbaren Sie Tarifverträge oder Arbeitsverträge sogar Urlaubstage. Der gesetzliche Anspruch ist nicht aufschiebbar, aber in Ausnahmefällen abzugelten.
Aktuelle Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung (Stand 2024)
- EuGH-Urteil zur Urlaubsverjährung : Der Europäische Gerichtshof hat 2022 entschieden (Rechtssache C-120/21), dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer ausdrücklich und rechtzeitig über ihre verbleibenden Urlaubsansprüche und die Gefahr der Verjährung informieren müssen. Unterbleibt diese Information, verjährt der Urlaub nicht und kann auch noch Jahre später geltend gemacht werden. Das BAG hat diese Entscheidung 2023 in einem Grundsatzurteil übernommen und konkretisiert: Arbeitgeber müssen jährlich schriftlich auf bestehende Urlaubsansprüche hinweisen. Andernfalls bleibt der Anspruch bestehen und ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten.
- Abgeltung bei Krankheit : Arbeitnehmer, die aufgrund einer Krankheit ihren Urlaub nicht annehmen konnten, haben ebenfalls Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Nach einem Urteil des EuGH (C-677/21) und der darauf aufbauenden BAG-Entscheidung (Az. 9 AZR 122/23) verfällt der Urlaubsanspruch in diesen Fällen nicht automatisch nach Ablauf des Kalenderjahres, sondern bleibt bestehen, sofern der Arbeitgeber seine Hinweispflichten erfüllt nicht erfüllt hat.
Höhe der Urlaubsabgeltung
Die Höhe der Urlaubsabgeltung orientiert sich an dem durchschnittlichen Bruttoverdienst des Arbeitnehmers in den letzten 13 Wochen vor dem Ausscheiden. Sonderzahlungen oder unregelmäßige Zahlungen wie Boni oder Prämien sind nicht zu berücksichtigen, da der Urlaubsabgeltungsanspruch auf den regelmäßigen Verdienst abzielt.
2. Überstunden – Wann entstehen Ansprüche und wie werden sie geregelt?
Überstunden sind Arbeitsstunden, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen. Grundsätzlich dürfen Überstunden nur dann angeordnet werden, wenn dies im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder durch eine betriebliche Vereinbarung geregelt ist. Ohne eine solche Regelung besteht grundsätzlich keine Verpflichtung zur Leistung von Überstunden.
Nachweispflicht von Überstunden
Nach einem richtungsweisenden Urteil des BAG (Az. 5 AZR 222/23) im Jahr 2023 sind Arbeitnehmer verpflichtet, ihre Überstunden präzise und detailliert nachzuweisen, wenn sie diese geltend machen möchten. Arbeitgeber sind verpflichtet, ein System zur Erfassung der Arbeitszeit bereitzustellen, das allen Mitarbeitern die genaue Dokumentation ermöglicht. Diese Verpflichtung geht auf einen EuGH-Urteil von 2019 (Rechtssache C-55/18) zurück, der die Einführung einer Arbeitszeiterfassung für alle Mitgliedsstaaten fordert.
Vergütung von Überstunden
Überstunden sind grundsätzlich zu vergüten, wenn sie nachweislich vom Arbeitgeber angeordnet wurden oder dieser sie zumindest stillschweigend geduldet hat. Überstunden, die eigenmächtig oder ohne Absprache geleistet wurden, müssen nicht vergütet werden. Folgende Grundsätze sind dabei zu beachten:
- Tarifvertragliche Regelungen : Tarifverträge enthalten häufig spezielle Regelungen zur Überstundenvergütung, die Vorrang haben. In einigen Branchen wird ein Überstundenzuschlag gezahlt, der z. B. 25 % beträgt.
- Anspruch bei Anordnung oder Duldung : Wenn der Arbeitgeber ausdrücklich Überstunden anordnet oder diese stillschweigend duldet, muss er die Überstunden auch vergüten. Dies gilt insbesondere, wenn Überstunden für die Erledigung betrieblicher Aufgaben erforderlich sind.
3. Überstundenabfeiern – Die Möglichkeit des Freizeitausgleichs
Anstelle einer finanziellen Vergütung können Arbeitnehmer Überstunden auch durch Freizeitausgleich abbauen, wenn dies vertraglich geregelt oder zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart wurde. Das sogenannte „Überstundenabfeiern“ ist oft eine flexible Möglichkeit, geleistete Mehrarbeit ohne zusätzliche Kosten auszugleichen.
Anforderungen an das Überstundenabfeiern
- Vertragliche oder betriebliche Regelung : Eine Möglichkeit zum Überstundenabfeiern muss im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festgelegt sein. Ohne eine solche Regelung kann der Arbeitnehmer grundsätzlich keine Freizeit für Überstunden verlangen, sondern hat einen Anspruch auf Vergütung.
- Gleichwertiger Freizeitausgleich : Der Freizeitausgleich muss gleichwertig zur Überstundenleistung sein. Eine Stunde Überstundenarbeit muss auch mit einer Stunde Freizeit ausgeglichen werden. Der Arbeitgeber kann die Zeit des Abfeierns nicht einseitig festlegen; Dies erfordert eine einvernehmliche Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer.
- Zeitliche Flexibilität : Viele Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen legen fest, dass der Freizeitausgleich zeitnah gewährt werden muss. In einigen Fällen ist der Überstundenabbau jedoch auch über einen längeren Zeitraum möglich. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten hier im Vorfeld klare Absprachen treffen.
Neueste Rechtsprechung zum Überstundenfeiern
Das BAG hat in einem Urteil von 2023 (Az. 10 AZR 44/23) betont, dass der Arbeitnehmer bei der Planung des Freizeitausgleichs ein Mitspracherecht hat und eine Anordnung des Freizeitausgleichs nur nach rechtzeitiger Ankündigung erfolgen kann. Kurzfristige Anweisungen zum Überstundenabbau sind daher unzulässig, wenn sie die Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigen.
4. Besonderheiten und Ausnahmefälle
Verfall von Überstundenansprüchen
Überstundenansprüche können verfallen, wenn keine rechtzeitige Geltendmachung erfolgt. Die genauen Regelungen hierfür hängen vom jeweiligen Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ab. Häufig gilt eine Verfallsfrist von drei Monaten, in deren Überstunden geltend gemacht werden muss.
Freiwillige Überstunden
Freiwillig geleistete Überstunden, die ohne vorherige Absprache oder Genehmigung geleistet werden, müssen vom Arbeitgeber grundsätzlich nicht vergütet werden. Mitarbeiter sollten daher stets klären, ob ihre Überstunden vom Arbeitgeber tatsächlich gewünscht und genehmigt sind, bevor sie Mehrarbeit leisten.
Überstunden bei Teilzeitkräften
Auch Teilzeitkräfte haben Anspruch auf Überstundenvergütung, wenn sie über ihre vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus arbeiten. Ein Anspruch auf Überstundenvergütung oder Freizeitausgleich entsteht jedoch erst dann, wenn die Teilzeitkraft die gesetzliche Arbeitszeit von 8 Stunden pro Tag überschreitet, es sei denn, eine alternative Regelung besteht.
Fazit:
Die aktuelle Rechtsprechung im Jahr 2024 hat klare Leitlinien für Urlaubsabgeltung, Überstunden und das Abfeiern von Überstunden geschaffen. Arbeitnehmer haben das Recht auf eine angemessene Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche, und Überstunden müssen entweder vergütet oder durch Freizeitausgleich gewährt werden. Arbeitgeber sind verpflichtet, ein System zur Erfassung der Arbeitszeiten bereitzustellen und klar zu kommunizieren, unter welchen Bedingungen Überstunden angeordnet oder geduldet werden. Die Entscheidung, ob Überstunden vergütet oder abgefeiert werden, sollte vertraglich geregelt und mit dem Arbeitnehmer abgestimmt sein. Ein strukturiertes Vorgehen und klare Vereinbarungen tragen dazu bei, Streitigkeiten und rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden und das Arbeitsverhältnis fair zu gestalten.