Die Kostenfestsetzung nach Rücknahme einer Berufung kann insbesondere hinsichtlich der Verfahrensgebühr des Beklagtenvertreters problematisch sein, wenn dieser keine substanzielle Tätigkeit zur Sache erbracht hat. Dies wirft die Frage auf, ob die Gebühr in solchen Fällen reduziert oder sogar ganz entfallen kann. Insbesondere dann, wenn die Berufung aufgrund einer Fristversäumnis zurückgenommen wurde und die Gegenseite keine inhaltlichen Ausführungen gemacht hat, gibt es in der Rechtsprechung Ansatzpunkte, die eine vollständige Streichung der Verfahrensgebühr rechtfertigen könnten.
1. Entstehung der Verfahrensgebühr und Minimalanforderungen
Gemäß Nr. 3200 VV RVG entsteht die Verfahrensgebühr des Beklagtenvertreters grundsätzlich mit der Übernahme des Mandats und dem Eintritt in das Berufungsverfahren. Die Gebühr wird unabhängig davon fällig, ob der Anwalt inhaltlich zur Sache vorträgt oder Schriftsätze einreicht. Bereits die Prozessführungsanzeige und die grundsätzliche Verteidigungsbereitschaft können ausreichen, um die Gebühr geltend zu machen.
Jedoch stellt sich die Frage, ob die Verfahrensgebühr in voller Höhe gerechtfertigt ist, wenn das Verfahren ohne inhaltliche Beiträge der Gegenseite durch die Rücknahme der Berufung beendet wird, insbesondere wenn diese Rücknahme auf einem formellen Fehler, wie einer Fristversäumnis, beruht.
2. Rücknahme der Berufung wegen Fristversäumnis und fehlende Verteidigung
In Fällen, in denen die Berufung vom Kläger aufgrund einer Fristversäumnis zurückgenommen wird und der Beklagtenvertreter keine Stellungnahme zur Sache abgibt, kann die volle Verfahrensgebühr unangemessen sein. Die Rechtsprechung hat klargestellt, dass die Gebühr in solchen Fällen reduziert werden kann, wenn der Anwalt nur formale Handlungen vorgenommen hat.
3. Bezugnahme auf die Rechtsprechung des OLG München (Beschluss vom 18.08.2009 – 11 W 1551/09)
Das OLG München hat im Beschluss vom 18.08.2009 – 11 W 1551/09 entschieden, dass die Verfahrensgebühr in Fällen minimaler anwaltlicher Tätigkeit deutlich reduziert werden kann. Wenn der Beklagtenvertreter keine wesentlichen Verteidigungshandlungen entfaltet hat und die Berufung ohne jegliche Prüfung der Sache zurückgenommen wurde, kann die Gebühr auf 0,8 bis 1,0 Gebühreneinheiten herabgesetzt werden. Diese Rechtsprechung ist für ähnliche Fälle maßgeblich und kann als Grundlage für eine Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung genutzt werden.
4. Möglichkeit der kompletten Streichung der Verfahrensgebühr
In bestimmten Fällen, in denen der Beklagtenvertreter keinerlei anwaltliche Leistungen im Verfahren erbracht hat, besteht sogar die Möglichkeit, die Verfahrensgebühr auf Null zu setzen. Wenn die Gegenseite keine inhaltlichen Schriftsätze eingereicht hat und das Verfahren lediglich aufgrund formeller Fehler, wie einer Fristversäumnis, beendet wurde, kann argumentiert werden, dass die Tätigkeit des Beklagtenvertreters nicht ausreicht, um eine Gebührenforderung zu rechtfertigen.
5. Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss
Im Rahmen einer Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss kann der Kläger darlegen, dass der Beklagtenvertreter keine nennenswerten Verteidigungshandlungen unternommen hat und die Verfahrensgebühr daher unangemessen hoch ist. In solchen Fällen ist es möglich, dass das Gericht die Gebühr entweder reduziert oder im Extremfall komplett streicht. Eine erfolgreiche Beschwerde erfordert eine detaillierte Begründung und den Verweis auf relevante Rechtsprechung wie die Entscheidung des OLG München.
6. Offenes Verfahren vor dem OLG Stuttgart
Im Rahmen eines offenen Verfahrens vor dem OLG Stuttgart wird diese Problematik aktuell überprüft. Es stellt sich die Frage, ob die Verfahrensgebühr des Beklagtenvertreters vollständig entfallen kann, wenn zur Sache nichts ausgeführt wurde und die Rücknahme der Berufung lediglich auf einer Fristversäumnis beruht. Dieses Verfahren könnte zu einer weiteren Konkretisierung der Rechtslage in Bezug auf die Kostenfestsetzung in solchen Konstellationen führen.
7. Fazit
Die Kostenfestsetzung nach Rücknahme der Berufung wirft häufig Fragen zur Verfahrensgebühr auf, insbesondere dann, wenn der Beklagtenvertreter keine substanziellen Tätigkeiten entfaltet hat. Rechtsprechung wie die des OLG München zeigt, dass eine Reduzierung der Gebühr auf 0,8 bis 1,0 Gebühreneinheiten möglich ist, und in Ausnahmefällen kann die Gebühr sogar vollständig auf Null gesetzt werden. Eine sorgfältig begründete Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss kann in solchen Fällen Erfolg haben.