SCHUFA-Scoring – Die Rolle der Rechtsprechung des EuGH und der deutschen Gerichte

Das SCHUFA-Scoring ist seit Jahren ein umstrittenes Thema im deutschen Recht. Das System, welches Bonitätsinformationen zu Einzelpersonen zusammenfasst und eine Zahl zur Kreditwürdigkeit generiert, hat einen enormen Einfluss auf das Leben vieler Menschen. Kredite, Mietverhältnisse, Mobilfunkverträge – all das hängt oft von der Zahl ab, die die SCHUFA berechnet. Dabei stellt sich immer wieder die Frage, ob das Scoring-Verfahren in Einklang mit den Grundrechten und den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und vergleichen sie mit der deutschen Rechtsprechung.

0
5

Das SCHUFA-Scoring ist seit Jahren ein umstrittenes Thema im deutschen Recht. Das System, welches Bonitätsinformationen zu Einzelpersonen zusammenfasst und eine Zahl zur Kreditwürdigkeit generiert, hat einen enormen Einfluss auf das Leben vieler Menschen. Kredite, Mietverhältnisse, Mobilfunkverträge – all das hängt oft von der Zahl ab, die die SCHUFA berechnet. Dabei stellt sich immer wieder die Frage, ob das Scoring-Verfahren in Einklang mit den Grundrechten und den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) steht. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und vergleichen sie mit der deutschen Rechtsprechung.

EuGH: Mehr Transparenz gefordert

In einem aktuellen Urteil vom 04. Mai 2023 (Az. C-579/21) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt, dass Verbraucher ein Recht auf Auskunft über die zugrunde liegenden Daten haben, die zur Berechnung des SCHUFA-Scores verwendet werden. Der EuGH betonte, dass die Informationen so transparent wie möglich sein müssen, damit die Betroffenen nachvollziehen können, wie ihre Kreditwürdigkeit bewertet wird. Der Gerichtshof stellte außerdem fest, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die SCHUFA einem hohen Maß an Schutz unterliegen müsse, da die Folgen eines negativen Scores oft gravierend sind.

Der EuGH kritisierte insbesondere die Intransparenz des Scorings. Die SCHUFA verwendet einen algorithmischen Ansatz, um die Bonität zu berechnen, doch wie genau dieser Algorithmus funktioniert, bleibt Geschäftsgeheimnis. Nach Ansicht des EuGH ist dies problematisch, da Verbraucher damit keine Chance haben, die Berechnungen zu verstehen und sich gezielt zu verbessern. Das Urteil stärkt damit die Rechte der Verbraucher auf mehr Transparenz und Selbstbestimmung hinsichtlich ihrer personenbezogenen Daten. Link zum Urteil

Deutsche Rechtsprechung: Zurückhaltung gegenüber der Offenlegung

Die deutsche Rechtsprechung hat bisher eine eher konservative Haltung eingenommen, wenn es um die Transparenz des SCHUFA-Scorings geht. In einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 28. Januar 2014 (Az. VI ZR 156/13) entschied der BGH, dass die SCHUFA den Algorithmus, den sie zur Berechnung des Scores verwendet, nicht offenlegen muss. Der BGH argumentierte, dass der Algorithmus ein Geschäftsgeheimnis der SCHUFA sei und dass die allgemeine Offenlegungspflicht der Datenschutz-Grundverordnung hier nicht die Geheimhaltungsinteressen des Unternehmens überwiegen könne. Link zum Urteil

Das Urteil zeigt, wie stark der Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Deutschland gewichtet wird – selbst dann, wenn dadurch das Recht der Verbraucher auf Transparenz und Auskunft nach der DSGVO eingeschränkt wird. Kritiker argumentieren, dass dies zu einer Machtasymmetrie führt: Die SCHUFA behält die Kontrolle über ein System, das weitreichende Konsequenzen für die Verbraucher hat, während die Betroffenen oft im Dunkeln bleiben.

Unterschiedliche Ansätze: Verbraucherrechte vs. Geschäftsgeheimnis

Die beiden Urteile des EuGH und des BGH zeigen deutlich die unterschiedlichen Ansätze in der Rechtsprechung. Der EuGH fokussiert sich auf die Rechte der Verbraucher, insbesondere auf das Recht auf Transparenz und die Nachvollziehbarkeit der Bewertung ihrer Kreditwürdigkeit. Der BGH hingegen stellt den Schutz von Geschäftsgeheimnissen in den Vordergrund und sieht die Verpflichtung zur Transparenz eher eingeschränkt.

Der EuGH fordert im Wesentlichen eine Angemessenheit der Datennutzung im Sinne der DSGVO. Die Tatsache, dass eine Person anhand eines Scores beurteilt wird, ohne eine nachvollziehbare Erklärung darüber zu erhalten, wie dieser Score zustande kommt, steht im Widerspruch zu den Prinzipien der fairen und transparenten Datenverarbeitung. Der BGH argumentiert hingegen, dass eine allgemeine Offenlegung des Algorithmus zu einem Missbrauch führen könnte, da die SCHUFA als privates Unternehmen ihre Geschäftsprozesse schützen müsse.

Die Rolle der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Die Datenschutz-Grundverordnung gibt Verbrauchern das Recht, über die Verwendung ihrer personenbezogenen Daten informiert zu werden und fehlerhafte Daten berichtigen zu lassen (Art. 16 DSGVO). In Bezug auf das SCHUFA-Scoring führt dies zu einem Dilemma: Zwar haben Verbraucher ein Recht auf Auskunft – doch was nützt dieses Recht, wenn die zugrunde liegenden Berechnungen nicht offengelegt werden?

Der EuGH betont in seinem Urteil, dass die Unternehmen den Verbraucher nicht nur die verwendeten Daten, sondern auch die Art und Weise der Verarbeitung erklären müssen. Die deutschen Gerichte hingegen neigen dazu, die Offenlegungspflichten auf die zugrunde liegenden Daten zu beschränken, ohne den Algorithmus offenzulegen. Dies führt dazu, dass Betroffene oft im Dunkeln bleiben, welche Faktoren zu ihrem schlechten Score beigetragen haben.

Auswirkungen auf die Verbraucher

Die Folgen eines schlechten Scores können gravierend sein: Kredite werden abgelehnt, Mietverhältnisse kommen nicht zustande, und selbst der Abschluss von Mobilfunkverträgen kann verweigert werden. Die Tatsache, dass Betroffene oft keine Möglichkeit haben, genau nachzuvollziehen, warum ihr Score gesunken ist, macht die Situation besonders problematisch. Die Intransparenz führt zu einem Machtungleichgewicht, bei dem die SCHUFA als privates Unternehmen über die Kreditwürdigkeit entscheidet, ohne ausreichend Rechenschaft ablegen zu müssen.

Fazit: Eine notwendige Reform?

Die Unterschiede zwischen der Rechtsprechung des EuGH und des BGH machen deutlich, dass das System der Bonitätsbewertung durch die SCHUFA dringend einer Reform bedarf. Verbraucher haben ein Recht auf Transparenz, insbesondere wenn Entscheidungen, die auf Grundlage von Algorithmen getroffen werden, so weitreichende Auswirkungen auf ihr Leben haben. Die aktuelle Rechtsprechung des EuGH stellt einen wichtigen Schritt hin zu mehr Verbraucherschutz dar, indem sie die Transparenzanforderungen verschärft.

Die deutsche Rechtsprechung muss sich dieser Entwicklung anpassen und den Schutz der Verbraucherrechte stärker betonen. Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist wichtig, darf jedoch nicht dazu führen, dass Verbraucher einem undurchsichtigen System ausgeliefert sind. Eine klarere Regulierung und ein stärkeres Recht auf Auskunft und Erklärung sind erforderlich, um das Vertrauen in das System der Bonitätsbewertung wiederherzustellen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein