Mittwoch, Oktober 30, 2024

Streit um bunte Skulptur auf Friedhofsgrab – Eine kritische Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (Beschl. v. 07.10.2024, Az. 1 S 800/24)

1. Sachverhalt

Im vorliegenden Fall ging es um einen Streit zwischen den Angehörigen eines Verstorbenen und den örtlichen Friedhofsbehörden. Die Angehörigen hatten auf dem Grab des Verstorbenen eine bunte Skulptur aufstellen lassen, die den Grabstein schmückte. Andere Friedhofsbesucher fühlten sich durch diese Gestaltung in ihren religiösen Gefühlen verletzt und sahen darin eine Störung der Friedhofsruhe. Daraufhin untersagte die Friedhofsverwaltung die Aufstellung der Skulptur, worauf die Angehörigen gegen die Entscheidung klagten.

Das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart entschied in erster Instanz, dass die Skulptur tatsächlich die Religionsfreiheit anderer Friedhofsbesucher beeinträchtige. Insbesondere wurde argumentiert, dass Friedhöfe Orte der stillen Einkehr und des Gedenkens seien und der bunte, auffällige Grabstein diese Atmosphäre störe.

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim bestätigte diese Entscheidung. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde per Beschluss abgelehnt, womit die Entscheidung des VG Stuttgart, die Skulptur zu entfernen, rechtskräftig wurde.

2. Problematische Aspekte der Entscheidung

Die Entscheidung wirft mehrere grundsätzliche Fragen auf, die insbesondere die Kollision von Grundrechten betreffen. Einerseits steht das Grundrecht der Angehörigen auf künstlerische Freiheit und freie Religionsausübung im Vordergrund, andererseits das Recht der anderen Friedhofsbesucher auf Religionsfreiheit und den Schutz der Friedhofsruhe.

3. Kollision der Grundrechte

a) Künstlerische Freiheit (Art. 5 Abs. 3 GG)

Die Angehörigen argumentierten, dass die Skulptur ein Ausdruck ihrer künstlerischen Gestaltung des Grabmals und gleichzeitig Teil ihres Gedenkens an den Verstorbenen sei. Die künstlerische Freiheit ist ein hohes Gut im deutschen Grundgesetz und schützt auch Ausdrucksformen im öffentlichen Raum, wie etwa Grabmalgestaltungen. Dabei stellt sich die Frage, ob die farbenfrohe Gestaltung des Grabsteins als Kunst anerkannt werden muss und ob diese Form des Ausdrucks auf einem Friedhof als angemessen anzusehen ist.

b) Religionsfreiheit der Angehörigen (Art. 4 GG)

Darüber hinaus könnte die bunte Skulptur als Ausdruck der religiösen Überzeugung der Angehörigen betrachtet werden. Insbesondere wenn die Angehörigen einem Glauben oder einer Weltanschauung angehören, in der farbenfrohe Darstellungen des Gedenkens Teil der Tradition sind, könnte das Verbot der Skulptur als Eingriff in die Religionsfreiheit interpretiert werden. Hierbei wäre es wichtig, das individuelle Gedenken und die religiösen Bedürfnisse der Angehörigen zu würdigen.

c) Religionsfreiheit und Friedhofsruhe (Art. 4 GG und Art. 2 GG)

Auf der anderen Seite steht das Recht der anderen Friedhofsbesucher, ihre eigene Religionsfreiheit in Form des stillen Gedenkens zu wahren. Ein Friedhof ist in vielen religiösen Traditionen ein Ort der Ruhe, Einkehr und Andacht. Auffällige und bunte Grabsteine könnten diesen Charakter stören und das Gedenken anderer Besucher beeinträchtigen.

4. Bewertung der Entscheidung

Die Entscheidung des VGH Mannheim bringt die verschiedenen Grundrechtspositionen in ein Spannungsverhältnis, wobei die Friedhofsordnung und die damit verbundene Friedhofsruhe den Vorrang erhielten. Kritisch betrachtet könnte man hinterfragen, ob dies eine ausreichende Abwägung der künstlerischen und religiösen Freiheit der Angehörigen darstellt. Zwar ist der Schutz der Friedhofsruhe zweifellos ein legitimes Ziel, doch hätte das Gericht möglicherweise stärker prüfen müssen, ob nicht mildere Mittel (etwa eine spezifischere Platzierung der Skulptur) in Betracht gezogen werden könnten, um beide Interessen zu wahren.

Ein weiterer problematischer Punkt ist die Definition dessen, was als störend oder unangemessen auf einem Friedhof gilt. Die Vorstellung von einem „angemessenen“ Grabstein ist kulturell und subjektiv unterschiedlich. In multikulturellen Gesellschaften sollte es daher verstärkt Raum für unterschiedliche Ausdrucksformen geben, solange diese nicht objektiv gegen die Friedhofsordnung oder den öffentlichen Frieden verstoßen.

5. Fazit

Die Entscheidung des VGH Mannheim betont den Vorrang der Friedhofsruhe und der Religionsfreiheit anderer Besucher gegenüber der künstlerischen und religiösen Freiheit der Angehörigen. Diese Entscheidung wirft jedoch Fragen darüber auf, ob die Rechte der Angehörigen ausreichend gewürdigt wurden. Gerade in einer pluralistischen Gesellschaft ist es wichtig, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Ausdrucksformen von Gedenken und den Traditionen der Friedhofsruhe zu finden.

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