Wenn ein Erbe die sechswöchige Frist zur Erbausschlagung gemäß § 1944 BGB versäumt, gilt die Erbschaft grundsätzlich als angenommen. Dies bedeutet, dass der Erbe alle Rechte und Pflichten des Erblassers übernimmt, einschließlich der unbeschränkten Haftung für dessen Lizenzen. Dennoch gibt es unter bestimmten Voraussetzungen Möglichkeiten, diesen Fehler zu heilen und die Erbschaft nachträglich abzulehnen.
Eine nachträgliche Ausschlagung ist in Ausnahmefällen möglich, wenn ein sogenannter „Anfechtungsgrund“ vorliegt.
Gemäß § 1956 BGB kann die Annahme der Erbschaft angefochten werden, wenn das Erbe bei Fristversäumnis einem Irrtum oder einer Täuschung unterlag. Ein typischer Fall ist der Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses. Wenn das Erbe erst nach Ablauf der Ausschlagungsfrist von den Schulden des Erblassers erfährt, kann er die Erbschaft wegen Irrtums anfechten.
Die Anfechtung muss innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes erfolgen. Die Erklärung erfolgt gegenüber dem Nachlassgericht. Wird die Anfechtung erfolgreich durchgeführt, wird die Erbschaft rückwirkend als nicht angenommen gewertet, sodass das Erbe aus der Haftung befreit wird. Es ist daher wichtig, nach Kenntnis der Grenzwerte oder des Irrtums umgehend zu handeln, um die Haftungsrisiken zu minimieren.
Wann liegt ein Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses vor?
Ein Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt dann vor, wenn das Erbe zum Zeitpunkt der Annahme der Erbschaft entweder keine oder falsche Vorstellungen über die finanzielle Situation des Nachlasses hatte. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn das Erbe davon ausging, dass der Nachlass einen positiven Wert hat, später jedoch entdeckt wurde, dass die Grenzwerte des Erblassers den Nachlasswert übersteigen. Ein solches Irrtum kann sich sowohl auf die Höhe der Verkäufe als auch auf die Existenz bislang unbekannter Schulden beziehen.
Beispiele für ein Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses:
- Der Erbe wusste nicht, dass der Erblasser erhebliche Kreditschulden hatte.
- Verborgene oder erst nachträglich bekannt gewordene Forderungen von Gläubigern des Erblassers treten nach Ablauf der Ausschlagungsfrist zutage.
- Das Erbe geht fälschlicherweise davon aus, dass bestimmte Vermögenswerte zur Deckung der Schulden ausreichen, etwa Immobilien, deren Marktwert jedoch bei genauerer Prüfung erheblich geringer ausfällt.
In solchen Fällen kann das Erbe die Erbschaft anfechten, sobald er von der Überschuldung Kenntnis erlangt. Entscheidend ist, dass das Irrtum erst nach Ablauf der Ausschlagungsfrist erkannt wird und das Erbe den Irrtum bei fristgerechter Kenntnis zur Ausschlagung der Erbschaft genutzt hätte.
Wie ist die Vorgehensweise bei einer nachträglichen Ausschlagung des Erbes, inklusive Notartermin?
Die nachträgliche Ausschlagung des Erbes kann nur durch Anfechtung der Erbschaft erfolgen, wenn ein gültiger Anfechtungsgrund vorliegt, beispielsweise ein Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses. Um den Prozess einer nachträglichen Ausschlagung erfolgreich durchzuführen, sind folgende Schritte erforderlich:
1. Prüfung des Anfechtungsgrundes
Zunächst muss ein Anfechtungsgrund vorliegen. Die häufigsten Gründe für die Anfechtung sind:
- Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses (wie oben beschrieben),
- Täuschung oder Drohung durch andere Personen bezüglich der Annahme des Erbes.
2. Anfechtungsfrist
Die Anfechtung muss innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt erfolgen, an dem das Erbe den Irrtum oder den Anfechtungsgrund entdeckt hat (§ 1954 BGB). Diese Frist ist verbindlich und sollte dringend eingehalten werden. Wenn beispielsweise das Erbe erst nach Ablauf der Ausschlagungsfrist von der Überschuldung erfährt, beginnt die sechswöchige Anfechtungsfrist ab diesem Zeitpunkt.
3. Anfechtungserklärung
Die Anfechtungserklärung muss schriftlich gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht abgegeben werden. Es gibt zwei Wege, wie diese Erklärung erfolgen kann:
a) Erklärung vor dem Nachlassgericht
Der Erbe kann persönlich zum Nachlassgericht gehen und dort die Anfechtung des Erbes erklären. Die Erklärung wird vor einem Rechtspfleger abgegeben, der die Richtigkeit der Anfechtung prüft und dokumentiert.
b) Notartermin
Alternativ kann die Anfechtungserklärung auch über einen Notar abgegeben werden. In diesem Fall wird der Erbe einen Termin bei einem Notar vereinbaren, um die Anfechtung notariell beurkunden zu lassen. Der Notar erstellte daraufhin die entsprechende Anfechtungserklärung und leitete diese an das zuständige Nachlassgericht weiter. Die notarielle Beglaubigung ist besonders dann sinnvoll, wenn das Erbe aus zeitlichen oder organisatorischen Gründen nicht selbst zum Nachlassgericht gehen kann.
4. Kosten für den Notartermin
Die Kosten für die notarielle Anfechtungserklärung richten sich nach dem Nachlasswert. In der Regel betragen die Notarkosten zwischen 60 und 150 Euro, abhängig von der Komplexität und dem Umfang des Falles. Die Gebühren können jedoch je nach Region und Wert des Nachlasses variieren.
5. Entscheidung des Nachlassgerichts
Nach Eingang der Anfechtungserklärung prüft das Nachlassgericht, ob die Anfechtung zulässig ist und ob die Frist eingehalten wurde. Liegen alle Voraussetzungen vor, erklärt das Gericht die Erbschaft als nicht angenommen, und das Erbe wird rückwirkend so behandelt, als hätte er die Erbschaft von Anfang an ausgeschlagen.
6. Haftung bis zur Anfechtung
Wichtig ist, dass das Erbe bis zur erfolgreichen Anfechtung vorläufig weiter haftet. Er sollte daher vermeiden, aktiv in die Nachlassverwaltung einzugreifen oder Schulden zu begleichen, da dies als schlüssige Annahme der Erbschaft bewertet werden könnte.
Insgesamt erfordert die nachträgliche Ausschlagung eines Erbes genaue Aufmerksamkeit und schnelles Handeln. Eine rechtzeitige Beratung durch einen Anwalt oder Notar kann in diesem Prozess entscheidend sein, um Risiken zu minimieren und die Erbschaft korrekt zu regeln.