Das Thema Urlaubsabgeltung ist im Arbeitsrecht von besonderer Bedeutung, insbesondere wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird oder aus anderen Gründen der Urlaub nicht genommen werden kann. Die Abgeltung von nicht genommenem Urlaub wirft in der Praxis häufig Fragen auf, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer genau wissen müssen, welche Rechte und Pflichten sie haben. In den letzten Jahren gab es durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie durch gesetzliche Anpassungen wichtige Neuerungen, die Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen betreffen.

In diesem Beitrag erklären wir die gesetzlichen Grundlagen der Urlaubsabgeltung, was aus Sicht des Arbeitgebers zu beachten ist, und welche Rechte Arbeitnehmer haben.

1. Was versteht man unter Urlaubsabgeltung?

Unter Urlaubsabgeltung versteht man die finanzielle Entschädigung, die ein Arbeitnehmer erhält, wenn er seinen ihm zustehenden Urlaub nicht in Anspruch nehmen konnte und das Arbeitsverhältnis endet. Grundsätzlich ist der Urlaub laut § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) in Natur, also durch Freizeit, zu gewähren. Eine Urlaubsabgeltung kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer aus zeitlichen oder betrieblichen Gründen keinen Urlaub mehr nehmen kann, beispielsweise aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

2. Die gesetzliche Grundlage: § 7 Abs. 4 BUrlG

Der § 7 Abs. 4 BUrlG legt fest, dass eine Abgeltung des Urlaubs nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich ist. Das bedeutet: Solange das Arbeitsverhältnis besteht, muss der Urlaub in Form von Freizeit gewährt werden. Nur wenn eine tatsächliche Urlaubsgewährung nicht mehr möglich ist, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung.

Wichtig ist, dass dieser Anspruch nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für vertraglich oder tarifvertraglich gewährte Urlaubstage gilt. Es können also auch zusätzliche Urlaubstage, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen, abzugelten sein, sofern dies im Arbeits- oder Tarifvertrag so geregelt ist.

3. Neuerungen in der Rechtsprechung: Verfall des Urlaubsanspruchs

Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren wesentliche Änderungen bezüglich des Verfalls von Urlaubsansprüchen vorgenommen. Früher war es gängige Praxis, dass der Urlaub am Ende des Kalenderjahres oder spätestens zum Ende des Übertragungszeitraums (bis 31. März des Folgejahres) verfiel, wenn der Arbeitnehmer diesen nicht rechtzeitig genommen hatte.

Jedoch hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in mehreren Urteilen klargestellt, dass ein Verfall von Urlaubsansprüchen nur dann möglich ist, wenn der Arbeitnehmer klar und rechtzeitig vom Arbeitgeber darauf hingewiesen wurde, dass der Urlaub genommen werden muss, andernfalls verfällt er. Der Arbeitgeber trägt somit die Initiativlast, den Arbeitnehmer auf seinen Urlaub aufmerksam zu machen.

Dies wurde auch durch das Bundesarbeitsgericht bestätigt. Im Urteil vom 19.02.2019 (9 AZR 541/15) stellte das BAG fest, dass der Urlaub nur verfällt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor deutlich darauf hingewiesen hat, dass er den Urlaub noch nehmen kann und dass der Urlaub ansonsten verfällt.

4. Arbeitgeberpflichten: Was ist zu beachten?

Für Arbeitgeber ergeben sich aus diesen Regelungen einige Verpflichtungen, um nicht in die Haftungsfalle zu tappen:

a) Aufklärungspflicht

Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Arbeitnehmer rechtzeitig und transparent auf den noch verbleibenden Urlaubsanspruch hinzuweisen. Sie müssen ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Urlaub genommen werden muss und welche Konsequenzen drohen, wenn dies nicht geschieht (Verfall des Urlaubsanspruchs). Dieser Hinweis sollte schriftlich erfolgen, um im Streitfall Beweissicherheit zu haben.

b) Verzicht auf Urlaubsgewährung ist unzulässig

Ein Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer nicht dazu drängen, auf den Urlaub zu verzichten und stattdessen eine Abgeltung zu akzeptieren. Der Grundsatz des BUrlG besagt, dass Urlaub in Natur zu gewähren ist, und nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist eine Abgeltung möglich.

c) Dokumentation

Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, sollten Arbeitgeber die Urlaubsansprüche ihrer Mitarbeiter systematisch erfassen und dokumentieren. Hierzu gehört nicht nur die Erfassung der genommenen Urlaubstage, sondern auch die Information an die Arbeitnehmer, wenn noch Urlaubstage offen sind, insbesondere vor dem Jahresende.

5. Rechte der Arbeitnehmer

Für Arbeitnehmer gilt: Solange das Arbeitsverhältnis besteht, haben sie ein Recht auf Erholungsurlaub, der in Form von Freizeit gewährt werden muss. Wenn das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass der Urlaub vollständig genommen werden konnte, besteht ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Hierbei gibt es einige Punkte zu beachten:

a) Berechnung der Urlaubsabgeltung

Die Abgeltung des Urlaubs richtet sich nach dem Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld werden hierbei nicht mit einbezogen, wenn sie nicht regelmäßig gewährt werden.

b) Anspruch auf Resturlaub

Sollte das Arbeitsverhältnis durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag enden und der Arbeitnehmer hat noch offenen Resturlaub, steht ihm eine finanzielle Abgeltung dieser Urlaubstage zu. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist freigestellt wurde und theoretisch hätte Urlaub nehmen können. In solchen Fällen ist die Freistellung nicht mit dem Urlaub gleichzusetzen, wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart wurde.

c) Anspruch bei Arbeitsunfähigkeit

Auch wenn ein Arbeitnehmer längere Zeit krank ist und der Urlaub nicht genommen werden konnte, bleibt der Urlaubsanspruch bestehen. Laut EuGH (Urteil vom 6. November 2018, C-684/16) kann der Urlaubsanspruch im Krankheitsfall nicht verfallen, sondern ist abzugelten, wenn das Arbeitsverhältnis endet und der Arbeitnehmer seinen Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte.

6. Aktuelle Urteile zur Urlaubsabgeltung

Es gibt mehrere richtungsweisende Urteile, die die Rechte der Arbeitnehmer bei der Urlaubsabgeltung präzisieren:

a) EuGH, Urteil vom 06.11.2018 – C-684/16

Leitsatz: Arbeitnehmer verlieren nicht automatisch ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, wenn sie ihn nicht beantragt haben. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer aktiv und transparent auffordern, seinen Urlaub zu nehmen.

b) BAG, Urteil vom 19.02.2019 – 9 AZR 541/15

Leitsatz: Urlaub verfällt nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig darauf hinweist, dass der Urlaub genommen werden muss, sonst verfällt er.

c) BAG, Urteil vom 25.06.2019 – 9 AZR 546/17

Leitsatz: Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der noch offene Urlaub abzugelten, auch wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit keine Möglichkeit hatte, den Urlaub zu nehmen.

Fazit:

Die Urlaubsabgeltung ist ein wichtiges Thema sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, insbesondere im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Arbeitgeber müssen ihre Pflichten ernst nehmen und Arbeitnehmer regelmäßig über ihre Urlaubsansprüche informieren, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Arbeitnehmer sollten ihre Rechte kennen und darauf achten, dass sie ihren Urlaubsanspruch nicht verlieren, insbesondere bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder langer Krankheit.

Durch die aktuelle Rechtsprechung und die gesetzlichen Anpassungen ist es unerlässlich, sich mit den neuen Regelungen vertraut zu machen, um mögliche Missverständnisse und rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.

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