Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr besteht in Deutschland seit 2013. Dieser Anspruch soll Eltern ermöglichen, Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Doch trotz dieses gesetzlich festgeschriebenen Anspruchs erleben viele Eltern weiterhin Schwierigkeiten, einen Platz für ihr Kind in einer Kita oder bei einer Tagespflegeperson zu finden. Vor allem in Großstädten und Ballungsgebieten sind Betreuungsplätze knapp, was Eltern oft vor große Herausforderungen stellt. In diesem Artikel werden die rechtlichen Möglichkeiten und Ansprüche von Eltern beleuchtet, wenn ein Kitaplatz fehlt.
1. Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz
Seit dem 1. August 2013 haben Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege (§ 24 Abs. 2 SGB VIII). Dieser Anspruch richtet sich grundsätzlich gegen die zuständige Kommune, die für die Bereitstellung ausreichender Betreuungsplätze sorgen muss. Der Anspruch auf einen Kitaplatz ist nicht an die Berufstätigkeit der Eltern gebunden und steht allen Kindern zu, die das erste Lebensjahr vollendet haben, bis zur Einschulung.
Allerdings enthält das Gesetz keine Verpflichtung der Kommune, den Betreuungsplatz in einer bestimmten Einrichtung oder in einem bestimmten Stadtteil bereitzustellen. Eltern haben daher zwar einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz, jedoch nicht auf einen bestimmten Ort oder eine spezifische Betreuungseinrichtung. Dies bedeutet, dass die Kommune Eltern auch auf Einrichtungen in anderen Stadtteilen verweisen kann, sofern dort Plätze verfügbar sind.
2. Anspruch auf Schadensersatz bei fehlendem Kitaplatz
Wenn Eltern trotz des gesetzlichen Anspruchs keinen Betreuungsplatz erhalten, können sie unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatzansprüche gegen die Kommune geltend machen. Diese Ansprüche basieren auf der Verletzung der sogenannten Amtspflicht zur Bereitstellung ausreichender Betreuungsplätze.
Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch sind jedoch recht komplex und setzen voraus, dass die Kommune ihre Pflichten schuldhaft verletzt hat. Eltern müssen nachweisen, dass sie alle zumutbaren Anstrengungen unternommen haben, um einen Platz zu erhalten, etwa durch rechtzeitige Anmeldung und Berücksichtigung der angebotenen Alternativen. Liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung der Kommune vor, können Eltern Schadensersatz für die finanziellen Nachteile geltend machen, die ihnen durch den fehlenden Betreuungsplatz entstehen.
Zu den ersatzfähigen Kosten zählen insbesondere:
- Kosten für private Kinderbetreuung: Wenn Eltern gezwungen sind, eine private Betreuungsperson oder einen Platz in einer privaten Kita zu finanzieren, können sie die zusätzlichen Kosten als Schadensersatz fordern.
- Verdienstausfall: Wenn ein Elternteil aufgrund des fehlenden Betreuungsplatzes nicht arbeiten kann, kann auch der dadurch entstandene Verdienstausfall als Schadensersatz geltend gemacht werden. Dies gilt besonders für Eltern, die aufgrund der Betreuungslücke ihre Arbeitszeit reduzieren oder eine geplante Berufstätigkeit ganz aufgeben müssen.
3. Rechtliche Schritte zur Durchsetzung des Anspruchs
Eltern, die keinen Kitaplatz erhalten, können folgende rechtliche Schritte erwägen:
- Antrag auf Verpflichtung der Kommune: Eltern können vor dem Verwaltungsgericht einen Antrag auf Verpflichtung der Kommune stellen, einen Betreuungsplatz bereitzustellen. Mit diesem Antrag wird die Kommune aufgefordert, ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachzukommen und das Kind in einer Tageseinrichtung oder bei einer Tagespflegeperson unterzubringen.
- Einstweilige Anordnung: Da die Verfahrensdauer in Verwaltungsgerichten oft lang ist, können Eltern zusätzlich eine einstweilige Anordnung beantragen. Diese gerichtliche Maßnahme soll kurzfristig für Abhilfe sorgen und die Kommune zur schnellen Bereitstellung eines Platzes verpflichten. Eine einstweilige Anordnung setzt voraus, dass die Eltern glaubhaft machen, dass ein Betreuungsplatz dringend erforderlich ist und sie durch die fehlende Betreuung erheblich belastet sind.
- Schadensersatzklage: Wenn es Eltern nicht möglich war, rechtzeitig einen Kitaplatz zu erhalten, können sie eine Schadensersatzklage gegen die Kommune erheben. Diese Klage kann parallel zu einer Verpflichtungsklage eingereicht werden und richtet sich darauf, die finanziellen Nachteile auszugleichen, die durch die Betreuungslücke entstanden sind.
4. Beweislast und Dokumentation
Um Ansprüche gegenüber der Kommune geltend zu machen, ist eine umfassende Dokumentation der eigenen Bemühungen unerlässlich. Eltern sollten ihre Anmeldungen bei verschiedenen Einrichtungen, Rückmeldungen der Kitas und alle Korrespondenzen sorgfältig dokumentieren. Auch eine Liste der Einrichtungen, bei denen das Kind angemeldet wurde, und eventuelle Absagen können hilfreich sein. Diese Dokumente dienen dazu, die ernsthaften Bemühungen der Eltern nachzuweisen und die Pflichtverletzung der Kommune zu belegen.
Darüber hinaus sollten Eltern alle durch den fehlenden Betreuungsplatz entstandenen Kosten dokumentieren, um diese später im Rahmen einer Schadensersatzklage geltend machen zu können. Dazu zählen Belege über private Betreuungskosten, Gehaltsabrechnungen und eventuelle Nachweise über die Reduzierung der Arbeitszeit.
5. Grenzen und Schwierigkeiten der Rechtsdurchsetzung
Obwohl Eltern einen klaren Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz haben, ist die Durchsetzung oft mit praktischen Schwierigkeiten verbunden. Gerichtliche Verfahren sind zeit- und kostenintensiv und führen nicht immer zu einer schnellen Lösung. Gerade bei einstweiligen Anordnungen entscheidet das Gericht häufig zugunsten der Eltern, allerdings dauert es dennoch oft Monate, bis ein Betreuungsplatz tatsächlich verfügbar ist.
Zudem sind viele Kommunen in der Praxis schlichtweg nicht in der Lage, ausreichende Kapazitäten bereitzustellen. In solchen Fällen haben Eltern zwar rechtlich Anspruch auf Schadensersatz, doch die tatsächliche Umsetzung dieses Anspruchs hängt auch von der finanziellen Situation der jeweiligen Kommune ab. In einigen Fällen haben Gerichte jedoch zugunsten der Eltern entschieden und den Kommunen eine Schadensersatzpflicht auferlegt.
Fazit:
Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz soll Eltern in Deutschland die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Doch die Realität zeigt, dass viele Eltern trotz dieses Anspruchs Schwierigkeiten haben, einen Platz für ihr Kind zu finden. Der Gesetzgeber hat zwar Regelungen geschaffen, um Eltern im Fall eines Betreuungsmangels rechtliche Möglichkeiten zu geben, doch die Durchsetzung dieser Ansprüche ist oft kompliziert und von langer Dauer.
Um ihre Rechte wahrzunehmen, können Eltern verschiedene rechtliche Schritte einleiten, die von einer Schadensersatzklage bis hin zu einem gerichtlichen Verpflichtungsantrag reichen. Wichtig ist dabei, dass alle eigenen Bemühungen dokumentiert und nachgewiesen werden können. Letztlich sind jedoch umfassende Investitionen in den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen und die Gewinnung von Fachkräften nötig, um den Rechtsanspruch in der Praxis wirklich umzusetzen und die Belastungen für Familien zu verringern.