Die Digitalisierung hat längst auch die Musikindustrie erfasst, und Künstliche Intelligenz (KI) ist dabei, kreative Prozesse grundlegend zu verändern. Doch mit der Innovation gehen rechtliche Konflikte einher, insbesondere im Bereich des Urheberrechts. In einem weltweit beachteten Fall hat die deutsche Verwertungsgesellschaft GEMA Klage gegen OpenAI eingereicht, das Unternehmen hinter dem Sprachmodell ChatGPT. Hintergrund ist die unlizenzierte Nutzung von Songtexten aus dem GEMA-Repertoire, die laut der Verwertungsgesellschaft sowohl für das Training der KI als auch für die Ausgabe durch den Chatbot verwendet wurden. Was steckt hinter der Klage, und welche Konsequenzen könnte sie für die Nutzung von KI und geschützten Werken haben?
Der Fall: GEMA klagt OpenAI wegen Urheberrechtsverletzungen
Die GEMA, die die Rechte von rund 95.000 Musikurhebern vertritt, wirft OpenAI vor, urheberrechtlich geschützte Songtexte ohne Lizenz für das Training von ChatGPT verwendet zu haben. Darüber hinaus sei es Nutzern möglich, durch gezielte Anfragen Songtexte über den Chatbot auszugeben, ohne dass die Urheber für diese Nutzung vergütet würden. Am 15. November 2024 reichte die GEMA beim Landgericht München I Klage gegen OpenAI und dessen europäische Tochtergesellschaft OpenAI Ireland ein (Az. 42 O 14139/24).
Nach Angaben der GEMA sei dies weltweit die erste Klage einer Verwertungsgesellschaft gegen ein KI-Unternehmen. Ziel der Klage ist es, OpenAI zur Unterlassung und zur Zahlung von Lizenzgebühren zu verpflichten, um die Urheber für die Nutzung ihrer Werke zu entschädigen.
Rechtlicher Hintergrund: Das Urheberrecht und KI
Das Urheberrecht schützt kreative Werke wie Musik, Texte und Kunst vor unbefugter Nutzung (§ 2 UrhG). Die Nutzung solcher Werke durch Künstliche Intelligenz wirft jedoch rechtliche Fragen auf, da viele KI-Systeme mit großen Datenmengen trainiert werden, die häufig urheberrechtlich geschützte Inhalte enthalten.
Nach deutschem Recht ist die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke ohne Zustimmung des Rechteinhabers oder einer entsprechenden Lizenz eine Verletzung des Urheberrechts (§ 97 UrhG). Dies gilt sowohl für die Reproduktion von Texten als auch für ihre Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe. Die GEMA argumentiert, dass OpenAI gegen diese Grundsätze verstößt, indem Songtexte ohne Lizenz für das Training der KI und deren Ausgabe verwendet werden.
Was bedeutet das für KI-Unternehmen?
Die Klage der GEMA hat weitreichende Implikationen für die gesamte KI-Branche. Bislang bewegten sich viele Unternehmen in einer rechtlichen Grauzone, wenn es um die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für das Training von KI-Modellen ging. Der Fall könnte ein Präzedenzurteil schaffen, das die rechtlichen Anforderungen an die Datenbasis von KI-Systemen weltweit klarer definiert.
Sollte das Landgericht München I der GEMA Recht geben, könnte dies KI-Unternehmen dazu zwingen, umfangreiche Lizenzvereinbarungen abzuschließen, bevor sie urheberrechtlich geschützte Inhalte für das Training ihrer Systeme verwenden. Dies könnte die Entwicklungskosten erheblich erhöhen und die Verfügbarkeit von KI-Modellen beeinflussen.
Internationale Dimension: Ein globaler Konflikt
Die Klage der GEMA ist nicht nur national, sondern auch international relevant. OpenAI ist ein amerikanisches Unternehmen, und die rechtlichen Standards in den USA unterscheiden sich teilweise erheblich von den europäischen Regelungen. In den USA erlaubt der „Fair Use“-Grundsatz in bestimmten Fällen die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke ohne Zustimmung des Rechteinhabers. In Europa hingegen gilt das Urheberrecht in der Regel als strenger.
Sollte das deutsche Gericht zugunsten der GEMA entscheiden, könnte dies auch andere Verwertungsgesellschaften weltweit dazu ermutigen, rechtliche Schritte gegen KI-Unternehmen einzuleiten.
Kritik und offene Fragen
Die Klage wirft jedoch auch Fragen auf: Ist die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken für das Training einer KI mit dem Urheberrecht vereinbar, wenn die Werke nicht direkt wiedergegeben, sondern nur als Grundlage für die Modellbildung verwendet werden? KI-Unternehmen argumentieren häufig, dass ihre Systeme die geschützten Inhalte nicht speichern, sondern lediglich Muster und Strukturen analysieren, um darauf basierend neue Inhalte zu generieren. Ob dies als urheberrechtliche Nutzung im Sinne des Gesetzes gilt, ist noch umstritten.
Ein weiteres Problem ist die praktische Umsetzung. Sollten KI-Unternehmen verpflichtet werden, Lizenzen für alle Trainingsdaten abzuschließen, stellt sich die Frage, wie dies bei großen, öffentlich zugänglichen Datenbanken überhaupt möglich sein soll.
Ausblick: Die Bedeutung des Falls
Der Fall GEMA gegen OpenAI könnte die Weichen für die zukünftige Beziehung zwischen Künstlicher Intelligenz und Urheberrecht stellen. Während die GEMA die berechtigten Interessen ihrer Mitglieder vertritt, wird der Ausgang des Verfahrens auch Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von KI-Unternehmen haben.
Das Landgericht München I steht vor der schwierigen Aufgabe, eine Entscheidung zu treffen, die sowohl den Schutz geistigen Eigentums als auch die Entwicklung neuer Technologien berücksichtigt. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte die Balance zwischen Urheberrecht und technologischer Innovation definieren.
Fazit:
Die Klage der GEMA gegen OpenAI markiert einen wichtigen Wendepunkt im Umgang mit urheberrechtlich geschützten Inhalten in der Ära der Künstlichen Intelligenz. Sie wirft grundlegende Fragen zum Schutz kreativer Werke und zur Verantwortung von KI-Unternehmen auf. Das Urteil des Landgerichts München I könnte weitreichende Konsequenzen für die gesamte Branche haben und die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Nutzung von KI weltweit prägen.