Donnerstag, Dezember 5, 2024

Die Panoramafreiheit – Begriff, Voraussetzungen und aktuelle Rechtsprechung

Die Panoramafreiheit ist ein Begriff aus dem Urheberrecht, der es ermöglicht, Werke, die sich dauerhaft im öffentlichen Raum befinden, ohne Zustimmung des Urhebers zu fotografieren, zu filmen oder auf andere Weise visuell festzuhalten und die Aufnahmen zu veröffentlichen. Doch wie weit reicht dieses Recht tatsächlich? Neuere Urteile, insbesondere des Bundesgerichtshofs (BGH), haben die Grenzen der Panoramafreiheit in den letzten Jahren konkretisiert. Dieser Artikel erläutert den Begriff, zeigt die rechtlichen Voraussetzungen auf und beleuchtet aktuelle Rechtsprechung ab 2023.

Was ist die Panoramafreiheit?

Die Panoramafreiheit ist in § 59 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) geregelt. Sie erlaubt es, urheberrechtlich geschützte Werke wie Bauwerke, Skulpturen oder andere Kunstwerke, die sich dauerhaft an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, ohne Zustimmung des Urhebers zu fotografieren oder zu filmen. Die Aufnahmen dürfen anschließend auch veröffentlicht werden.

Die Intention der Panoramafreiheit ist es, die Alltagswahrnehmung des öffentlichen Raums nicht durch urheberrechtliche Beschränkungen zu behindern. Sie dient somit der Förderung von Kunst, Kultur und öffentlicher Dokumentation.

Voraussetzungen der Panoramafreiheit

Damit die Panoramafreiheit Anwendung findet, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Dauerhafte Anbringung
    Das Werk muss dauerhaft an einem öffentlichen Ort installiert sein. Temporäre Kunstinstallationen, etwa für Ausstellungen oder Veranstaltungen, sind ausgeschlossen.
  2. Öffentlicher Raum
    Der Standort des Werks muss öffentlich zugänglich sein. Dazu zählen öffentliche Wege, Straßen und Plätze. Private Grundstücke, selbst wenn sie einsehbar sind, fallen nicht unter die Panoramafreiheit.
  3. Perspektive von öffentlichen Orten
    Die Aufnahmen müssen von einem öffentlichen Ort aus gemacht werden. Die Nutzung von Hilfsmitteln wie Drohnen oder Leitern, um nicht einsehbare Perspektiven einzunehmen, ist nicht von der Panoramafreiheit gedeckt.
  4. Keine Veränderung des Werks
    Das Werk darf durch die Aufnahme oder Bearbeitung nicht verfremdet oder in einer Weise dargestellt werden, die seine Integrität verletzt.
  5. Keine gewerbliche Nutzung
    Die Panoramafreiheit erlaubt zwar die Veröffentlichung, bei kommerzieller Nutzung wie Werbung oder Produktvermarktung kann jedoch die Zustimmung des Urhebers erforderlich sein.

Einschränkungen der Panoramafreiheit: Drohnen und moderne Technologien

Ein wesentlicher Aspekt der aktuellen Diskussion ist die Nutzung moderner Technologien wie Drohnen. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 23.10.2024 (Az. I ZR 67/23) entschieden, dass Luftaufnahmen von Kunstwerken nicht unter die Panoramafreiheit fallen, da sie Perspektiven eröffnen, die von öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen aus nicht einsehbar sind. Dieses Urteil schränkt die Panoramafreiheit erheblich ein und stellt klar, dass der Schutz des Urhebers Vorrang hat, wenn technische Hilfsmittel genutzt werden, um Werke in unzulässiger Weise abzubilden.

Einschlägige Rechtsprechung ab 2023

  1. BGH, Urt. v. 23.10.2024, Az. I ZR 67/23 – Drohnenaufnahmen von Kunstwerken
    In diesem Fall entschied der BGH, dass Drohnenaufnahmen von Kunstwerken, die sich im öffentlichen Raum befinden, nicht von der Panoramafreiheit gedeckt sind. Die Richter betonten, dass § 59 UrhG ausschließlich Ansichten schützt, die von öffentlichen Orten ohne technische Hilfsmittel möglich sind.
  2. OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2023, Az. I-20 U 16/22 – Fotografie privater Grundstücke
    Das Gericht stellte klar, dass die Panoramafreiheit nicht für Fotografien von Werken gilt, die sich auf privaten Grundstücken befinden, auch wenn diese von öffentlichen Orten einsehbar sind. Ein Künstler hatte geklagt, weil sein Werk ohne Genehmigung von einer Straße aus fotografiert und veröffentlicht wurde. Das Gericht gab dem Urheber Recht.
  3. LG Hamburg, Urt. v. 05.08.2023, Az. 310 O 124/23 – Verfremdete Darstellungen
    Das Landgericht Hamburg entschied, dass die Panoramafreiheit nicht greift, wenn ein Werk verfremdet oder in einem anderen Kontext dargestellt wird, der den ursprünglichen Charakter des Werks verändert. Im konkreten Fall ging es um ein Graffiti, das in einer Collage verwendet wurde.
  4. EuGH, Rs. C-753/22 – Panoramafreiheit und Urheberrecht in der EU
    Der Europäische Gerichtshof stellte klar, dass die Panoramafreiheit innerhalb der EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich gehandhabt werden kann, betonte jedoch, dass nationale Regelungen mit den Grundsätzen des Urheberrechts harmonieren müssen. Dies stärkt den nationalen Spielraum, aber auch den Schutz von Urhebern.

Konsequenzen und praktische Bedeutung

Die Panoramafreiheit ist ein wichtiges Instrument, um die Freiheit der Kunst und die Dokumentation des öffentlichen Raums zu gewährleisten. Die jüngere Rechtsprechung zeigt jedoch, dass ihre Grenzen eng gezogen sind, insbesondere wenn moderne Technologien oder besondere Perspektiven ins Spiel kommen. Für Fotografen, Verlage und andere Akteure bedeutet dies, dass sie sich genau über die rechtlichen Rahmenbedingungen informieren müssen, bevor sie Bilder von Kunstwerken veröffentlichen oder kommerziell nutzen.

Urheber hingegen können durch diese Entscheidungen gestärkt ihre Rechte wahrnehmen und wirtschaftlich von der Verwertung ihrer Werke profitieren.

Fazit:

Die Panoramafreiheit ist ein zentraler Bestandteil des Urheberrechts, bietet jedoch keinen uneingeschränkten Schutz für Fotografen und Verleger. Die jüngere Rechtsprechung verdeutlicht, dass der Schutz der Urheberrechte Vorrang hat, insbesondere wenn technische Hilfsmittel genutzt werden, um Perspektiven zu erschließen, die der Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglich sind. Das Verständnis der Panoramafreiheit und ihrer Grenzen ist somit essenziell für alle, die mit visuellen Medien arbeiten.

Schlagzeilen der Woche

Die Fluchtwege aus der Säumnis in der Zivilprozessordnung – Strategien und Risiken

Strategien gegen Präklusion: Dieser Beitrag zeigt, wie sich verspätete Angriffs- und Verteidigungsmittel in der ZPO dennoch durchsetzen lassen. Besonders effektiv ist die Flucht in die Klageerweiterung oder Widerklage, während die Flucht in die Säumnis oder ein Befangenheitsantrag meist hohe Risiken bergen. Der Artikel gibt praktische Tipps und beleuchtet die aktuelle Rechtsprechung zu diesen Themen.

Social Media und Jugend – Rechtliche Regulierung und gesellschaftliche Verantwortung

Der Einfluss sozialer Medien auf junge Menschen: Von rechtlichen Regelungen bis zu gesellschaftlichen Herausforderungen. Dieser Beitrag beleuchtet aktuelle Urteile, praktische Beispiele und die Rolle von Eltern, Schulen und Plattformen im Jugendschutz. Lesen Sie jetzt, wie Recht und Verantwortung im digitalen Zeitalter zusammenwirken!

Das Bürgergeld – Die rechtlichen Grundlagen, aktuelle Entwicklungen und die Zukunft

Bürgergeld im Fokus – soziale Gerechtigkeit und rechtliche Stolpersteine Das Bürgergeld soll das Existenzminimum sichern und zugleich neue Anreize schaffen, um Menschen nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Unser Artikel analysiert die rechtlichen Grundlagen dieser Reform, zitiert relevante Paragrafen des SGB II und stellt die Frage, ob die Ziele erreicht werden. Anhand aktueller Urteile, wie dem Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen (Az. L 8 AS 242/24), wird die Rechtsprechung zum Bürgergeld kritisch bewertet. Darüber hinaus thematisieren wir die Herausforderungen in der Praxis und die unklare Zukunft nach einem möglichen Regierungswechsel. Eine tiefgehende Analyse für alle, die die rechtlichen, sozialen und politischen Implikationen dieser Reform verstehen möchten.

Selbstjustiz und die Strafverfolgung bei Sexualstraftaten an Kindern – Eine gefährliche Entwicklung

Der Artikel widmet sich der schwierigen Balance zwischen der notwendigen Verfolgung von Sexualstraftaten an Kindern und der Gefahr von Selbstjustiz. Am Beispiel der sogenannten „Einhorncrew“ wird die Problematik privater Ermittlungen und öffentlicher Bloßstellung von Verdächtigen beleuchtet. Dabei zeigt der Artikel, warum die Strafverfolgung allein den Behörden obliegen sollte und welche Risiken die eigenmächtige Verfolgung für Unschuldige und das Vertrauen in den Rechtsstaat birgt. Der Beitrag bietet eine kritische Perspektive auf die Verantwortung der Gesellschaft und der Politik, Kinder wirksam zu schützen, ohne die Prinzipien des Rechtsstaates zu gefährden.

Urteil gegen Berliner Influencerin wegen Verbreitung terroristischer Propaganda – Rechtsstaatliche Prüfung am Bundesverfassungsgericht erwartet

Das Urteil des Landgerichts Berlin gegen eine Berliner Influencerin sorgt für Aufsehen, da es erstmals eine Parole als Kennzeichen der Hamas klassifiziert und damit eine rechtliche Grundlage für die Bestrafung solcher Äußerungen schafft. Der Artikel diskutiert die Konsequenzen dieses Urteils für die Meinungsfreiheit und den Schutz von Symbolen in sozialen Medien. Darüber hinaus analysiert er die rechtliche Lage und den Prüfmaßstab des Bundesverfassungsgerichts, das über die Verfassungsmäßigkeit dieser Entscheidung urteilen wird. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts könnte richtungsweisend für die rechtliche Behandlung extremistischer Symbole und Propaganda in der digitalen Öffentlichkeit sein.

Neueste Artikel im Überblick

Die Fluchtwege aus der Säumnis in der Zivilprozessordnung – Strategien und Risiken

Strategien gegen Präklusion: Dieser Beitrag zeigt, wie sich verspätete Angriffs- und Verteidigungsmittel in der ZPO dennoch durchsetzen lassen. Besonders effektiv ist die Flucht in die Klageerweiterung oder Widerklage, während die Flucht in die Säumnis oder ein Befangenheitsantrag meist hohe Risiken bergen. Der Artikel gibt praktische Tipps und beleuchtet die aktuelle Rechtsprechung zu diesen Themen.

Steuerhaftung nach § 69 AO – Persönliche Verantwortung von Geschäftsführern und Vertretern

Die Steuerhaftung nach § 69 AO kann Geschäftsführer hart treffen. In unserem Artikel erfahren Sie alles über die Voraussetzungen, Haftungsfälle und Möglichkeiten zur Haftungsvermeidung.

Verbraucherinsolvenzverfahren – Der Weg in die Privatinsolvenz

Wenn die Schulden über den Kopf wachsen, ist die Verbraucherinsolvenz oft der einzige Weg. Lesen Sie in unserem Leitfaden, wie Sie das Verfahren starten, welche Kosten auf Sie zukommen und wie Sie Ihre finanzielle Freiheit zurückgewinnen können.

Das P-Konto: Schutz des Existenzminimums bei Pfändungen

Was tun bei einer Kontopfändung? Erfahren Sie in unserem Beitrag alles über die Rechte und Pflichten von Banken und Schuldnern, den Schutz vor Missbrauch und die Bedeutung des P-Kontos bei der sozialen Absicherung in schwierigen Zeiten.

Fristen beim Investitionsabzugsbetrag – Regelungen 2024 und Corona-bedingte Sonderregelungen

Fristüberschreitung beim IAB: Welche Konsequenzen drohen? Wer die Fristen beim Investitionsabzugsbetrag nicht einhält, muss mit Nachversteuerungen und Zinszahlungen rechnen. Lesen Sie, wie Sie Fristen korrekt einhalten, von Sonderregelungen profitieren und Ihre Investitionen optimal planen.

Der Investitionsabzugsbetrag 2024 – Steuerliche Vorteile und Praxisbeispiele

Investitionsabzugsbetrag 2024: Leitfaden für Unternehmer Der Investitionsabzugsbetrag ermöglicht es Unternehmen, zukünftige Investitionen steuerlich zu fördern. Dieser Artikel bietet eine umfassende Einführung, praxisnahe Beispiele und hilfreiche Tipps zur Anwendung des IAB in Verbindung mit der Umsatzsteuer.

Die Neuregelung der Besteuerung von Firmenwagen – Was ändert sich 2024?

Firmenwagenbesteuerung im Fokus: Nachhaltigkeit und Steuervorteile Die neuen Regelungen zur Firmenwagenbesteuerung ab 2024 fördern nachhaltige Mobilität und bieten steuerliche Vorteile für Elektro- und Hybridfahrzeuge. Lesen Sie, wie die Änderungen Arbeitnehmer und Arbeitgeber betreffen und welche Herausforderungen bei der Dokumentation bestehen.

Die steuerliche Absetzbarkeit von Weiterbildungskosten – Was gilt 2024?

Weiterbildung und Steuerrecht: Welche Ausgaben anerkannt werden Die steuerliche Anerkennung von Weiterbildungskosten hängt von mehreren Faktoren ab. Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Regelungen, erklärt den Unterschied zwischen Werbungskosten und Sonderausgaben und gibt Tipps zur optimalen Nutzung der steuerlichen Vorteile von Weiterbildungen.
spot_img

Meistgelesene Artikel

Alle unsere Kategorien im Überblick

spot_imgspot_img