Vorgehen bei geschätzter Umsatzsteuer aufgrund verspäteter Abgabe der Erklärungen

Im Steuerrecht stehen Unternehmen regelmäßig vor der Herausforderung, ihre Umsatzsteuervoranmeldungen fristgerecht beim Finanzamt einzureichen. Kommt es jedoch zu verspäteten Meldungen, greift das Finanzamt auf das Instrument der Schätzung zurück, um die Steuerlast zu bestimmen. Häufig entstehen solche Verzögerungen aufgrund von Liquiditätsengpässen oder verspäteten Zahlungseingängen seitens der Kunden. Die daraus resultierenden Schätzungen sind jedoch oft deutlich überzogen, was zu finanziellen Belastungen und Unsicherheiten führt. Dieser Beitrag beleuchtet die Frage, warum diese Schätzungen so hoch ausfallen, ob dies rechtlich zulässig ist, und wie Unternehmen rechtlich dagegen vorgehen können.

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Im Steuerrecht stehen Unternehmen regelmäßig vor der Herausforderung, ihre Umsatzsteuervoranmeldungen fristgerecht beim Finanzamt einzureichen. Kommt es jedoch zu verspäteten Meldungen, greift das Finanzamt auf das Instrument der Schätzung zurück, um die Steuerlast zu bestimmen. Häufig entstehen solche Verzögerungen aufgrund von Liquiditätsengpässen oder verspäteten Zahlungseingängen seitens der Kunden. Die daraus resultierenden Schätzungen sind jedoch oft deutlich überzogen, was zu finanziellen Belastungen und Unsicherheiten führt. Dieser Beitrag beleuchtet die Frage, warum diese Schätzungen so hoch ausfallen, ob dies rechtlich zulässig ist, und wie Unternehmen rechtlich dagegen vorgehen können.

1. Ursachen der verspäteten Abgabe von Umsatzsteuererklärungen:

Viele Unternehmen verschieben die Abgabe ihrer Umsatzsteuervoranmeldungen aus verschiedenen Gründen. Zwei Hauptursachen sind:

Fehlende Zahlungseingänge:

Insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen sehen sich häufig mit Liquiditätsengpässen konfrontiert, wenn Kunden ihre Rechnungen verspätet zahlen. Die Unternehmen haben möglicherweise die Umsatzsteuer auf ihren Rechnungen bereits ausgewiesen, jedoch noch keine Zahlungen erhalten, um die Steuer an das Finanzamt weiterzuleiten. Dies führt zu einer Zurückhaltung bei der fristgerechten Abgabe der Umsatzsteuermeldung, da diese oft auch mit der Zahlungspflicht der Steuer einhergeht.

Allgemeine finanzielle Probleme:

Unternehmen, die unter Liquiditätsdruck stehen, tendieren dazu, Zahlungsverpflichtungen aufzuschieben. Da die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung häufig zur Steuerfestsetzung führt, versuchen Unternehmen, durch die Verzögerung der Abgabe diese Belastung hinauszuzögern.

2. Übertriebene Schätzungen durch das Finanzamt:

Das Finanzamt greift bei verspäteter Abgabe von Steuererklärungen auf Schätzungen zurück. Diese Schätzungen sind häufig deutlich höher als die tatsächlichen Umsätze. Aber warum ist das so?

Erhöhter Druck auf Unternehmen:

Eine überzogene Schätzung soll Unternehmen dazu bewegen, ihre Erklärungen fristgerecht abzugeben. Indem das Finanzamt eine höhere Steuerlast festsetzt, entsteht für das Unternehmen ein finanzieller Druck, um so schneller die tatsächlichen Zahlen einzureichen und die Schätzungen zu korrigieren. Dies ist in gewisser Weise eine Maßnahme, um die Einhaltung steuerlicher Pflichten zu erzwingen.

Schätzungen basieren oft auf früheren Umsätzen:

Die Schätzungen basieren häufig auf den Vorjahreswerten oder bisher den gemeldeten Umsätzen. Wenn ein Unternehmen nun tatsächlich weniger Umsatz macht oder sich in einer finanziellen Krise befindet, spiegeln die Schätzungen diesen Zustand nicht wider. Die pauschale Heranziehung historischer Daten führt dazu, dass die Schätzung oft nicht die aktuelle wirtschaftliche Lage des Unternehmens abbildet.

3. Wann liegt eine überzogene Schätzung des Finanzamts vor?

Das Finanzamt ist im Falle einer Schätzung verpflichtet, das Ermessen „nach pflichtgemäßem Ermessen“ auszuüben (§ 162 Abgabenordnung, AO). Eine Schätzung muss sachlich und verhältnismäßig erfolgen und darf nicht willkürlich oder offensichtlich unrealistisch sein. Eine überzogene Schätzung liegt dann vor, wenn die Schätzung deutlich über die realistischen Umsätze oder Erträge hinausgeht und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nicht angemessen berücksichtigt wird.

Typische Fälle, in denen eine überzogene Schätzung vorliegt, sind:

Das Finanzamt erkennt eindeutige Hinweise auf Rückgänge an:

Wenn ein Unternehmen dem Finanzamt bereits signalisiert hat, dass es aufgrund von Marktveränderungen oder anderen objektiven Gründen Umsatzeinbrüche verzeichnet, und diese Informationen durch Unterlagen oder Mitteilungen belegt werden können, aber dennoch auf Basis alter Umsätze eine deutlich zu hohe Schätzungsweise kann dies als überzogen gelten.

Beispiel:

Ein Einzelhändler meldet dem Finanzamt, dass er wegen einer Geschäftsschließung für zwei Monate keine Einnahmen hatte. Das Finanzamt schätzt jedoch basierend auf den Umsätzen des Vorjahres und setzt trotzdem einen Monatsumsatz von 50.000 Euro an, obwohl keine Einnahmen vorliegen. Dies ist ein klarer Fall einer überzogenen Schätzung.

Vernachlässigung besonders wirtschaftlicher Umstände:

Wenn das Finanzamt bei seinen Schätzungen außergewöhnliche Umstände, wie Naturkatastrophen, Pandemien oder außergewöhnliche Marktveränderungen, die Umsätze des Unternehmens erheblich beeinträchtigen, unberücksichtigt lässt, könnte das Ermessen als unangemessen angesehen werden.

Beispiel:

Ein Restaurantbetrieb hat aufgrund eines behördlich angeordneten Lockdowns nur ein paar Tage im Monat liefern können und hat dies auch dem Finanzamt mitgeteilt. Das Finanzamt schätzt dennoch einen normalen Monatsumsatz, obwohl es nachweisbar ist, dass das Restaurant geschlossen war. In einem solchen Fall könnten die Schätzungen rechtlich angefochten werden.

Schätzung ist unverhältnismäßig hoch im Vergleich zu den Vorjahreswerten:

Es ist zulässig, dass sich das Finanzamt bei der Schätzung an den Vorjahreswerten orientiert. Wenn jedoch ein deutlicher Unterschied zwischen den realen wirtschaftlichen Bedingungen und den Vorjahreszahlen besteht und dies dem Finanzamt bekannt ist, kann eine unverhältnismäßig hohe Schätzung vorliegen.

Beispiel:

Ein mittelständisches Unternehmen, das im Vorjahr stabile Umsätze von etwa 500.000 Euro monatlich gemeldet hat, teilt dem Finanzamt mit, dass es im laufenden Jahr aufgrund eines Großkundenverlusts nur etwa 50 % dieser Umsätze erzielt. Das Finanzamt schätzt jedoch basierend auf den Vorjahreswerten und setzt weiterhin 500.000 Euro an. Dies kann als überzogene Schätzung gelten, da die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nicht ausreichend berücksichtigt wurde.

Schätzung, ohne dass die gelegentlich des Falles bekannt sind:

Eine weitere Situation, in der die Schätzung des Finanzamtes als überzogen werden kann, tritt ein, wenn das Finanzamt völlig unreflektiert geschätzt wird, ohne vorherige Auskunft des Unternehmens einzuholen oder ohne diese Unterlagen zu prüfen. Es gibt auch Fälle, in denen das Finanzamt eine Schätzung vornimmt, ohne Kontakt mit dem Steuerpflichtigen aufzunehmen, was zu unangemessen hohen Schätzungen führen kann.

Beispiel: Ein Start-up-Unternehmen befindet sich im ersten Jahr seiner Gründung und hat bisher kaum Umsätze erwirtschaftet. Da die Umsatzsteuervoranmeldung für zwei Monate verspätet eingereicht wird, schätzt das Finanzamt anhand hypothetischer Umsätze und geht von einem monatlichen Umsatz von 100.000 Euro aus. Tatsächlich hat das Start-up bisher nur 10.000 Euro Umsatz gemacht. Eine solche Schätzung wäre offenkundig überzogen.

4. Wann liegt eine Ermessensüberschreitung vor?

Eine Ermessensüberschreitung seitens der Finanzverwaltung liegt vor, wenn das Finanzamt bei der Schätzung nicht der gesetzlich zulässigen Grenzen seines Ermessens bleibt und die Schätzung auf unangemessenen Annahmen oder fehlerhaften Tatsachen beruht. Bei der Überprüfung, ob eine Ermessensüberschreitung vorliegt, müssen verschiedene Prüfpunkte berücksichtigt werden:

Pflichtgemäßes Ermessen nach § 162 AO:

Hat das Finanzamt sein Ermessen „nach pflichtgemäßem Ermessen“ ausgeübt? Gemäß § 162 AO darf die Finanzverwaltung eine Schätzung nur dann vornehmen, wenn sie keine ausreichenden Erklärungen oder Nachweise vom Steuerpflichtigen erhalten hat. Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn das Finanzamt auf unplausiblen Annahmen basiert.

Beispiel: Wenn das Finanzamt trotz Kenntnis der wirtschaftlichen Schwierigkeiten eines Unternehmens auf Basis alter Daten schätzt, kann dies eine Ermessensüberschreitung darstellen.

Verhältnismäßigkeit der Schätzung:

Ist die Schätzung verhältnismäßig im Verhältnis zur tatsächlichen wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen? Eine überhöhte Schätzung, die die wirtschaftliche Realität ignoriert, verletzt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Beispiel: Ein Unternehmen mit nachweislich reduzierten Umsätzen wird auf Basis der Umsätze des Vorjahres geschätzt.

Beachtung relevanter Tatsachen und Umstände: Hat das Finanzamt bei der Schätzung wesentlicher Tatsachen und Umstände, wie wirtschaftliche Bedingungen oder Krisen, besondere berücksichtigt?

Beispiel: Eine pandemiebedingte Schließung wird ignoriert, und das Finanzamt setzt normale Umsätze an.

Nachvollziehbarkeit und Transparenz: Eine Schätzung muss für den Steuerpflichtigen nachvollziehbar und logisch sein. Willkürliche Annahmen, ohne dass die Grundlage dafür ersichtlich ist, können als Ermessensüberschreitung gelten.

Beispiel: Das Finanzamt setzt ohne erkennbaren Grund eine stark überhöhte Schätzung an.

Vermeidung von Strafcharakter: Die Schätzung darf nicht als Druckmittel gegen das Unternehmen eingesetzt werden. Eine Schätzung, die offenkundig überhöht ist, um das Unternehmen zur schnellen Abgabe der Steuererklärung zu zwingen, ist unzulässig.

Beispiel: Das Finanzamt schätzt vorsätzlich zu hoch, um das Unternehmen zu einer großzügigen Abgabe zu bewegen.

Abwägung zugunsten des Steuerpflichtigen: Bei Unsicherheiten sollte das Finanzamt auch zugunsten des Steuerpflichtigen abwägen. Eine aggressive Schätzung, ohne eine ausgewogene Berücksichtigung, verstößt gegen den Grundsatz des pflichtgemäßen Ermessens.

Beispiel: Eine Schätzung wird ohne Rücksicht auf Unsicherheiten oder finanzielle Einschränkungen des Unternehmens zu Ungunsten des Steuerpflichtigen vorgenommen.

5. Rechtliche Schritte bei überzogener Schätzung:

Unternehmen, die der Meinung sind, dass die Schätzung durch das Finanzamt überzogen ist, sollten folgende rechtliche Schritte erwägen:

Einspruch einlegen:

Der Einspruch gegen einen Schätzungsbescheid muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids eingereicht werden. Es ist entscheidend, dass das Unternehmen alle notwendigen Belege und Dokumentationen zur wirtschaftlichen Lage vorlegt, um den Einspruch zu untermauern.

Antrag auf Aussetzung der Vollziehung:

Da der geschätzte Betrag sofort fällig wird, können Unternehmen parallel einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO) stellen, um die Zahlung bis zur Klärung des Einspruchs auszusetzen.

Ermessensüberschreitung anfechten:

Unternehmen sollten aufzeigen, wenn das Finanzamt bei der Schätzung relevante Umstände oder Tatsachen ignoriert hat, oder wenn die Schätzung unverhältnismäßig und willkürlich ist.

Klage beim Finanzgericht:

Sollte der Einspruch abgelehnt werden, bleibt dem Unternehmen die Möglichkeit, vor dem Finanzgericht Klage zu erheben, um die Rechtmäßigkeit der Schätzung prüfen zu lassen.

Fazit:

Schätzungen durch das Finanzamt sind ein rechtliches Mittel, um Unternehmen zu einer fristgerechten Abgabe von Steuererklärungen zu bewegen. Allerdings müssen diese Schätzungen verhältnismäßig und sachgerecht sein. Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn das Finanzamt bei der Schätzung wesentlicher Tatsachen ignoriert, willkürlich handelt oder unangemessenen Druck ausübt. Unternehmen haben verschiedene rechtliche Mittel, um sich gegen überzogene Schätzungen zu wehren.

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