Das Landgericht (LG) Hamburg hat dem ZDF per einstweiliger Verfügung bestimmte Äußerungen über die Recherche des Investigativportals Correctiv zum sogenannten „Potsdamer Treffen“ untersagt (Beschluss vom 20.10.2024, Az. 324 O 439/24). Dieses Treffen, an dem auch rechte Politiker und Vertreter der rechtsextremen Szene teilnahmen, steht unter intensiver öffentlicher und medialer Beobachtung. Antragsteller in diesem Verfahren war der Staatsrechtler Ulrich Vosgerau, selbst Teilnehmer des Treffens. Er wehrte sich erfolgreich gegen bestimmte Aussagen, die das ZDF über die Veranstaltung und die Correctiv-Recherche in einem Bericht gemacht hatte.
Hintergrund: Die Correctiv-Recherche zum „Potsdamer Treffen“
Die Correctiv-Recherche über das Treffen in Potsdam deckte Verbindungen zwischen rechten Politikern, Vertretern der rechtsextremen Szene und weiteren konservativen Akteuren auf. Die Veranstaltung, die laut Correctiv-Recherchen im Verborgenen stattfand, wurde als Netzwerkplattform für verschiedene rechtsgerichtete Strömungen dargestellt. Die Berichterstattung zielte darauf ab, die angeblichen Ziele und Motive hinter dem Treffen zu beleuchten und dessen Auswirkungen auf die politische Landschaft in Deutschland zu analysieren.
Die Correctiv-Reporter waren der Auffassung, dass das Treffen nicht nur eine Diskussion über politische Konzepte darstellte, sondern möglicherweise gezielt die Zusammenarbeit und strategische Planung zwischen rechtsextremen Akteuren und rechtspopulistischen Politikern förderte. Dabei nannte Correctiv auch namentlich Teilnehmer und Vertreter, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind. Ulrich Vosgerau, Staatsrechtler und ebenfalls Teilnehmer des Treffens, sah seine Rechte durch die Berichterstattung verletzt und machte insbesondere Äußerungen des ZDF zu den Correctiv-Ergebnissen zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens.
Der Beschluss des LG Hamburg: Verbot der ZDF-Äußerungen
In seinem Beschluss untersagte das LG Hamburg dem ZDF, bestimmte Aussagen über die Correctiv-Recherche und das Potsdamer Treffen öffentlich zu äußern. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Äußerungen des ZDF geeignet seien, das Ansehen und die Reputation von Ulrich Vosgerau und den anderen Teilnehmern des Treffens erheblich zu beeinträchtigen. Die Entscheidung erging im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, was bedeutet, dass das Gericht eine besonders dringliche Verletzung der Rechte von Vosgerau und anderen Teilnehmern durch die Äußerungen des ZDF annahm und sofortigen Schutz für notwendig erachtete.
Zusammenfassung der wesentlichen Punkte des Urteils
Das LG Hamburg stellte in seiner Entscheidung fest, dass die Äußerungen des ZDF nicht durch die Pressefreiheit gedeckt seien, da sie in unzulässiger Weise in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers eingriffen. Die wesentlichen Begründungen lassen sich in den folgenden Punkten zusammenfassen:
- Persönlichkeitsrechtlicher Schutz: Das Gericht stellte fest, dass das Persönlichkeitsrecht von Ulrich Vosgerau und den anderen Teilnehmern überwiegt. Die Äußerungen des ZDF waren nach Ansicht des Gerichts geeignet, das gesellschaftliche und berufliche Ansehen des Antragstellers erheblich zu beeinträchtigen, was in der öffentlichen Wahrnehmung zu einer Stigmatisierung führen könnte.
- Eingriff in die Meinungsfreiheit: Das LG Hamburg sah in den Äußerungen des ZDF einen Eingriff in die Meinungsfreiheit von Vosgerau. Das Gericht argumentierte, dass die Berichterstattung des ZDF über das Treffen und die Correctiv-Recherche durch die starke Fokussierung auf die Teilnehmer und deren angebliche Verbindungen zur extremen Rechten dazu beiträgt, ein einseitiges Bild zu zeichnen.
- Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht: Das Gericht rügte, dass das ZDF in seiner Berichterstattung die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt habe, indem es die Correctiv-Recherche unkritisch übernommen habe, ohne sich selbst umfassend mit dem tatsächlichen Charakter und den Zielen des Treffens auseinanderzusetzen.
- Vorverurteilung der Teilnehmer: Das Gericht bemängelte, dass die Äußerungen des ZDF den Eindruck erweckten, dass die Teilnehmer an einem rechtsextremen Zusammenschluss beteiligt seien, ohne dass hierfür ausreichende Beweise vorgelegt worden seien. Diese Darstellung geht nach Auffassung des Gerichts über das zulässige Maß der Berichterstattung hinaus und verstößt gegen das Neutralitätsgebot, das von den öffentlich-rechtlichen Medien erwartet wird.
Reaktionen und Kritik an der Entscheidung
Die Entscheidung des LG Hamburg stieß sowohl in juristischen Kreisen als auch in der Medienlandschaft auf geteilte Meinungen. Während einige Juristen die Entscheidung als wichtigen Schritt zum Schutz des Persönlichkeitsrechts und zur Eindämmung von Vorverurteilungen begrüßen, sehen andere darin eine Einschränkung der Pressefreiheit und eine Gefahr für den investigativen Journalismus.
Besonders in der aktuellen politischen Landschaft wird die Entscheidung kritisch diskutiert. Medienvertreter befürchten, dass solche gerichtlichen Beschränkungen investigative Berichterstattung erschweren könnten. Auch Correctiv selbst äußerte sich kritisch zur Entscheidung und verteidigte die Recherche als wichtigen Beitrag zur Transparenz über politische Netzwerke und deren Einfluss.
Bedeutung der Entscheidung für die Pressefreiheit
Das Urteil des LG Hamburg hat Bedeutung für die Frage, inwieweit Medien über sensible politische Themen und die Verbindungen zwischen unterschiedlichen politischen Gruppierungen berichten dürfen. Die Entscheidung zeigt, dass die Gerichte in Deutschland bereit sind, die Grenzen der Pressefreiheit streng zu überprüfen und diese in Konfliktfällen mit dem Persönlichkeitsrecht auch zu beschränken. Damit setzt das LG Hamburg ein Zeichen, dass es wichtig ist, journalistische Standards wie die Sorgfaltspflicht strikt einzuhalten, um Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu vermeiden.
Fazit
Die einstweilige Verfügung des LG Hamburg gegen das ZDF stellt eine wichtige Entscheidung zum Schutz des Persönlichkeitsrechts dar, das im Kontext der Medienberichterstattung zunehmend in den Fokus gerät. Die Entscheidung verdeutlicht jedoch auch die Herausforderungen, die investigative Medien wie Correctiv bei der Berichterstattung über politisch sensible Themen haben. Sie sind aufgefordert, sorgsam zwischen Aufklärung und den Rechten der Einzelpersonen abzuwägen.
Für Medien und Juristen bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung des LG Hamburg Bestand haben wird oder ob das ZDF eine Hauptsacheklage anstreben wird, um die Rechtmäßigkeit der Äußerungen zu klären. In jedem Fall wird das Urteil die mediale Berichterstattung und die Balance zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht auch in anderen Fällen beeinflussen.
Quellenangaben:
- Landgericht Hamburg: Beschluss vom 20.10.2024, Az. 324 O 439/24.
- LTO – Legal Tribune Online: „ZDF und Correctiv – LG Hamburg stoppt Berichterstattung zum Potsdamer Treffen“, 2024.
- Correctiv: „Hintergründe zur Recherche über das Potsdamer Treffen“, abrufbar unter correctiv.org.