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Insolvenzantrag und Insolvenzantragspflicht für vertretungsberechtigte Organe

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A. Regelinsolvenzverfahren

1. Insolvenzgericht

Der Insolvenzantrag muss beim zuständigen Insolvenzgericht eingereicht werden. Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.

2. Insolvenzfähige Personen

Das Insolvenzverfahren kann über das Vermögen natürlicher und juristischer Personen eröffnet werden. Dazu zählen unter anderem:

  • Offene Handelsgesellschaften,
  • Kommanditgesellschaften,
  • Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR),
  • Partnerschaften,
  • Nicht rechtsfähige Vereine.

3. Antragsteller

Insolvenzverfahren werden nur auf Antrag eröffnet. Sowohl Gläubiger als auch Schuldner sind antragsberechtigt.

A. Gläubigerantrag

Gläubiger müssen neben einem Eröffnungsgrund und einer fälligen Forderung ein rechtliches Interesse nachweisen. Die Forderung darf nicht völlig unbedeutend sein, und der Antrag darf nicht zur unlauteren Behinderung des Schuldners missbraucht werden.

Ein wichtiger Punkt der aktuellen Rechtsprechung ist, dass ein Titel nicht mehr zwingend erforderlich ist. Die Vorlage einer Fruchtlosigkeitsbescheinigung oder einer eidesstattlichen Versicherung reicht als Nachweis der Zahlungsunfähigkeit aus.

B. Schuldnerantrag

Besonders relevant ist die Pflicht der Organe juristischer Personen, wie GmbHs, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung innerhalb von drei Wochen den Insolvenzantrag zu stellen. Eine verspätete Antragstellung führt zu Schadensersatzpflichten oder sogar zu strafrechtlicher Verfolgung.

4. Insolvenzgründe

Nach der Insolvenzordnung (InsO) gibt es drei Insolvenzgründe:

  1. Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO): Liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen.
  2. Drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO): Liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich seine zukünftigen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen kann.
  3. Überschuldung (§ 19 InsO): Dies gilt nur für juristische Personen und liegt vor, wenn das Vermögen die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, eine positive Fortführungsprognose besteht.

Ein wichtiger aktueller Punkt ist die Entfristung des zweistufigen Überschuldungsbegriffs durch den Gesetzgeber, der es überschuldeten Unternehmen ermöglicht, der Insolvenzantragspflicht zu entgehen, wenn eine positive Fortführungsprognose nachgewiesen werden kann.

5. Folgen des Insolvenzantrags

Bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag trifft das Gericht Maßnahmen zur Sicherung des Vermögens, beispielsweise die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Dieser übernimmt die Fortführung des Unternehmens und sichert das Vermögen bis zur endgültigen Entscheidung.

D. Verbraucherinsolvenzverfahren

Das Verbraucherinsolvenzverfahren richtet sich an natürliche Personen, die keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit mehr ausüben oder diese bereits aufgegeben haben. Es unterscheidet sich vom Regelinsolvenzverfahren in einigen Punkten und ist besonders darauf ausgelegt, überschuldeten Verbrauchern einen Weg aus der finanziellen Krise zu ermöglichen.

1. Voraussetzungen für das Verbraucherinsolvenzverfahren

Um ein Verbraucherinsolvenzverfahren einzuleiten, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Der Schuldner darf zum Zeitpunkt der Antragstellung weniger als 20 Gläubiger haben.
  • Es dürfen keine Forderungen aus früheren Arbeitsverhältnissen bestehen, wie z. B. Lohnansprüche oder Arbeitnehmerforderungen.

Seit der Insolvenzrechtsreform 2020 gelten zusätzliche Vereinfachungen für das Verbraucherinsolvenzverfahren. Eine der zentralen Änderungen ist die Verkürzung der Restschuldbefreiung auf drei Jahre. Dies ermöglicht verschuldeten Privatpersonen, schneller wieder einen wirtschaftlichen Neuanfang zu wagen.

2. Verfahrensstufen

Das Verbraucherinsolvenzverfahren besteht aus mehreren Stufen:

a. Außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren

Zunächst muss der Schuldner versuchen, sich außergerichtlich mit seinen Gläubigern zu einigen. Dies erfolgt oft mit Unterstützung einer Schuldnerberatungsstelle oder eines Anwalts. Hierzu wird ein Schuldenbereinigungsplan aufgestellt, der alle Gläubiger gleich behandelt und eine Lösung zur Tilgung der Schulden vorschlägt. Scheitert dieser außergerichtliche Versuch, ist eine Bescheinigung über das Scheitern der Verhandlungen erforderlich, um den gerichtlichen Weg zu beschreiten.

b. Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren

Scheitert der außergerichtliche Einigungsversuch, kann der Schuldner einen Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens stellen. Das Gericht prüft dabei, ob ein Schuldenbereinigungsplan Erfolg haben könnte, und fordert die Gläubiger auf, sich dazu zu äußern. Stimmen die Gläubiger dem Plan nicht zu, wird das vereinfachte Insolvenzverfahren eingeleitet.

c. Vereinfachtes Insolvenzverfahren

Das gerichtliche Insolvenzverfahren wird eröffnet, wenn keine Einigung zwischen Schuldner und Gläubigern möglich ist. Das Vermögen des Schuldners wird vom Insolvenzverwalter erfasst und verwertet. Dabei gilt es, sämtliche Vermögenswerte so gut wie möglich zu liquidieren, um die Gläubiger anteilig zu befriedigen.

d. Restschuldbefreiungsverfahren

Der Schuldner kann nach erfolgreichem Abschluss des Insolvenzverfahrens die Restschuldbefreiung beantragen, die seine verbleibenden Verbindlichkeiten streicht. Durch die Reform der Insolvenzordnung im Jahr 2020 wurde der Zeitraum zur Erlangung der Restschuldbefreiung von sechs auf drei Jahre verkürzt. Diese Änderung gilt rückwirkend für alle Verfahren, die ab dem 1. Oktober 2020 eröffnet wurden. Zudem müssen Schuldner nun nicht mehr 35 % der Schulden und die Verfahrenskosten zahlen, um die Restschuldbefreiung zu erhalten – es reicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die kooperative Mitwirkung des Schuldners.

3. Schutz der Verbraucher und Schuldnerrechte

Mit der Reform des Verbraucherinsolvenzrechts wurden auch Schuldnerrechte gestärkt. Die Einführung der dreijährigen Restschuldbefreiung stellt eine erhebliche Entlastung dar. Auch wurden die Möglichkeiten zur vorzeitigen Entschuldung erweitert, um den wirtschaftlichen Neustart schneller zu ermöglichen. Zudem sieht das Gesetz vor, dass bestimmte unpfändbare Vermögensgegenstände – wie Altersvorsorge oder notwendige Haushaltsgegenstände – geschützt bleiben.

4. Besondere Regelungen während der Corona-Pandemie

Während der Corona-Krise gab es vorübergehend zusätzliche Erleichterungen für Schuldner. Viele Menschen, die durch pandemiebedingte Arbeitslosigkeit oder Einkommensverluste in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, konnten von den erleichterten Antragstellungsvoraussetzungen profitieren. Zudem wurde der Zugang zu Verbraucherinsolvenzverfahren flexibler gestaltet, um der erhöhten Anzahl von Insolvenzen gerecht zu werden.

5. Restschuldbefreiung trotz Versagensgründen

Es gibt gewisse Versagensgründe, die zur Verweigerung der Restschuldbefreiung führen können. Diese wurden jedoch durch die Reform präzisiert, um Missbrauchsfälle zu verhindern, aber gleichzeitig kooperative Schuldner nicht zu benachteiligen. Typische Versagensgründe können sein:

  • Falschangaben des Schuldners im Verfahren,
  • Verletzung von Mitwirkungspflichten,
  • Verurteilungen wegen Insolvenzstraftaten.

E. Fazit und Ausblick

Das Verbraucherinsolvenzverfahren bietet Schuldnern durch die aktuellen Gesetzesänderungen deutlich schnellere Entschuldungsmöglichkeiten. Die Verkürzung der Restschuldbefreiung auf drei Jahre und die verbesserten Schutzmaßnahmen für Schuldner erleichtern den Weg zu einem wirtschaftlichen Neustart. Dennoch ist es wichtig, frühzeitig qualifizierte Beratung in Anspruch zu nehmen, um alle gesetzlichen Anforderungen und Pflichten zu erfüllen.

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